Unsere erste “große” Rundreise. Ausgehend von Hurgada über Theben bis Assuan und Abu Simbel. Natürlich durfte auch ein Abstecher nach Kairo nicht fehlen.
Reisebericht
Vorwort
Es war, um ehrlich zu sein, ein längerer Entscheidungsprozess, bis wir uns endlich darauf einigen konnten, wo wir im Jahr 2005 unseren Urlaub verbringen würden. Die Entscheidung für Ägypten war dann eher eine Verzweiflungstat, jedoch eine Verzweiflungstat, die wir nicht bereuten.
Wir buchten 4 Wochen vor Reiseantritt via Internet bei Berge&Meer, verbrachten einige sorgenvolle Tage damit, auf eine Rückmeldung zu warten, die dann in Form einer Buchungsbestätigung endlich kam.
Im Einwohnermeldeamt bekam die Sachbearbeiterin fast die Krise, als wir unsere Reisepässe beantragten – knapp vier Wochen sind eben etwas kurzfristig. Spontanität und Bürokratie haben noch nie zueinander gepasst.
Aber scheinbar waren wir brav, denn die Reisepässe kamen exakt am Tag vor unserem Abflug, als wir schon schweren Herzens Geld für Ersatzdokumente ausgeben wollten. Irgendwie schafften wir es auch, zwei Koffer vollzupacken und dabei nichts zu vergessen…
Maximale Höhe: 189 m
Minimale Höhe: 11 m
Reisetag 1
15. Juli 2005
Frohen Mutes und bester Laune fuhren wir am frühen Vormittag Richtung München. Zum Glück erklärten sich meine Schwiegereltern bereit, uns zum Flughafen zu bringen, denn wenn man sein Auto dort parken will, kostet es zum einen ein halbes Vermögen und zum anderen muss man die Koffer durch die halbe Welt schleppen…
Markus hatte am Flughafen die spontane Idee, noch ein paar Oropax zu kaufen, was sich später noch als weise Entscheidung herausstellen würde. Dann checkten wir noch das Gepäck ein und gingen erstmal Kaffee trinken.
Nach den üblichen Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle (diese Metalldetektoren sind irgendwie immer darauf aus, mich zu denunzieren…) machten wir es uns noch ein Weilchen in der Abflughalle gemütlich, beobachteten Leute und genossen die Tatsache, dass jetzt bald Urlaub angesagt war.
Der Flug dauerte vier Stunden, wobei während der letzten Stunde unter uns ausschliesslich Sand zu sehen war – so eine Wüste kann sehr deprimierend sein, diese Erfahrung würden wir nicht zum letzten Mal machen.
Als ich aus dem Flugzeug stieg, war der erste Eindruck von Hurghada: heiss! Obwohl die Sonne um 20 Uhr untergegangen war, wehte uns ein Wind entgegen, der sich eher anfühlte wie ein Haarfön. Allerdings gewöhnte ich mich recht schnell daran. Das Klima in Ägypten ist zwar viel wärmer als zu Hause, allerdings handelt es sich um eine trockene Hitze, die man als wesentlich angenehmer empfindet als diese feuchtwarme Unmöglichkeit, die sich in Deutschland „Sommer“ nennt…
Im Flughafen erwartete uns bereits ein Mitarbeiter von Berge&Meer, der sich darum kümmerte, dass jeder sein Visum bekam. Schon hier in der Flughafenhalle fiel uns auf, dass es in Ägypten keinen Mangel an Polizisten gibt – eine Notwendigkeit, wenn man an Luxor 1997 und sonstige terroristische Aktivitäten denkt – dazu aber später mehr.
Nachdem jeder ein Visum hatte und die Passkontrolle auch überstanden war, ging es an das unter Flugreisenden sehr beliebte Spiel namens Kofferroulette. Hier gab es allerdings eine etwas lästige Zusatzkomponente: Direkt neben dem Ausgabeschacht standen ein paar Herren, die sämtliche Koffer vom Laufband herunterhoben. Anfänglich konnte man meinen, es handle sich um eine freundliche Dienstleisung, was aber nicht der Fall war. Sobald man seinen Koffer erblickt hatte und diesen wegtragen wollte, kam einer von den Herren angespurtet und verlangte frech 2 Euro! Einige Touristen zahlten bereitwillig, um ihre Ruhe zu haben. Andere geigten den Typen erstmal die Meinung. Aber dafür lernte man hier gleich die Spielregeln im Umgang mit nicht erbetenen Dienstleistungen, was für uns während unserer Reise durch Ägypten noch so manches Mal sehr nütztlich war.
Nach dem Abwimmeln der Kofferträger stand uns dann die erste Begegnung mit einem ägyptischen Luxusreisebus bevor (man beachte dabei die Ironie im Zusammenhang mit dem Wort „Luxusreisebus“!). Die in den Prospekten derart angepriesenen Luxusreisebusse waren ca. 20 Jahre alt und ähnlich unbequem wie die Touristclass im Flugverkehr. Dafür funktionierte aber wenigstens die Klimaanlage. Bei den Schlaglochpisten, die in Ägypten quer durch die Wüste führen, fragten wir uns allerdings so manches Mal, ob wir nicht doch besser auf einem Kamel geritten wären…
Aber jetzt ging es erstmal zu unserem Hotel, in dem wir die nächsten drei Tage residieren würden. Es hiess „Sultan Beach“, hatte 4 Sterne nach Landeskategorie und lag direkt im schönen Badeort Hurghada am Roten Meer. Schon während der Fahrt dorthin fiel uns auf, dass hier überall ohne Licht gefahren wird und die weissen Linien auf der Straße nur Empfehlungen sind, an die sich aber niemand zu halten scheint.
Im Hotel stand uns dann mal wieder das allgemeine Kofferchaos bevor: Koffer finden, Koffer in die Eingangshalle bugsieren und schließlich den netten Kofferträger nach Erhalt der Zimmernummer darauf hinweisen, wo er die guten Stücke denn hinkarren soll.
Nachdem der Reiseleiter uns in einem kurzen Briefing auf das Wichtigste hingewiesen und wir alle unsere All-Inclusive-Armbändchen bekommen hatten, ging’s erstmal rauf ins Zimmer. Ich hätte mich am liebsten sofort auf’s Ohr gelegt, aber da klopfte erstmal der Kofferträger und ließ uns eine Szene erleben, die genau so in amerikanischen Filmen immer wieder gerne gezeigt wird: Er stellte die Koffer ab, erkundete sich nach unserem werten Befinden und hielt dann die Hand auf. Markus kramte im Geldbeutel und drückte dem Mann dann einen größeren Schein in die Hand, weil er nichts Kleineres hatte. Der Kofferträger freute sich jedenfalls wie ein Schneekönig über den Geldsegen und verschwand mit einem Ich-mach-jetzt-Feierabend-Grinsen.
Als wir das hinter uns gebracht hatten, machten wir uns auf den Weg zum Speisesaal. Da man von dem Fraß im Flugzeug bekanntermaßen nicht wirklich satt wird, war ein ordentliches Abendessen nun genau das Richtige. Und es gab mehr als genug! Für Vorspeisen, Hauptgang und Nachspeisen stand je ein nicht zu verachtendes Buffet mit verschiedensten Leckereien bereit. Allerdings musste man höllisch aufpassen, denn die Angestellten räumten so schnell die Tische ab, dass einem schon mal das Besteck dabei verloren gehen konnte.
Frisch gestärkt wagten wir uns nach dem Essen auf die Straße vor dem Hotel. Wir wollten uns eigentlich nur ein wenig umsehen und noch irgendwo Wasser kaufen. Aber da hatten wir die Rechnung ohne die Verkäufer einiger Geschäfte gemacht! Die ersten konnten wir noch abwimmeln, aber gegen Adam hatten wir keine Chance… Was mit einem harmlosen Gespräch über russische Urlaubsgäste und Religion im Allgemeinen begann, wurde dann bald zu einem: „Kommt in mein Geschäft! Nur kucken!“ Auch das war noch nett, er schrieb unsere Namen auf Arabisch und in Hieroglyphen auf eine Postkarte, erzählte von seinem Land und plötzlich waren wir mitten drin in Adams patentierter Verkaufsschau für Touristen, die noch nicht kapiert haben, wie das hier läuft. Wäre ich nicht so standhaft, hätte der Kerl mich vermutlich noch geheiratet! Mit viel Wortgewandtheit und dem festen Versprechen, am Ende unseres Urlaubs unsere Souvenirs bei ihm zu kaufen, entkamen wir ihm noch mal.
Nachdem wir diese Episode hinter uns gebracht hatten, schafften wir es nur noch zum direkt neben dem Hotel befindlichen „Pharao’s Supermarket“, um uns mit Wasser einzudecken. Da überall empfohlen wird, das ägyptische Leitungswasser nicht mal zum Zähneputzen zu verwenden, da ägyptische Nilbakterien nicht mit mitteleuropäischen Mägen kompatibel sind, deckten wir uns gleich entsprechend ein. Einen Liter Wasser bekam man in Hurghada bereits für ein Pfund, was zum damaligen Kurs in etwa 14 Cent entsprach.
Müde von dem hektischen Tag, verkrochen wir uns dann aufs Zimmer, saßen noch eine Weile auf dem Balkon und gingen bald zu Bett.
Reisetag 2
16.07.2005
Dieser Tag begann mit einem gemütlichen und ausgedehnten Frühstück mit Kaffee, Orangensaft (oder was im Hotel darunter verstanden wurde), pappsüßem Plundergebäck und phänomenal gutem Obstsalat.
Um halb elf trafen die Berge&Meer-Leute gesammelt und fast pünktlich im Sitzungssaal „Cleopatra“ ein, wo der Reiseleiter uns mit allen notwendigen Informationen versorgte und sein Ausflugsprogramm anpries. Wir entschlossen uns spontan, am Nachmittag bei einer Hurghada-Stadtrundfahrt teilzunehmen. Des Weiteren buchten wir noch zwei Tage Kairo – ein Ausflug, den wir aber erst nach der Nilkreuzfahrt antreten würden.
Bis alles gesagt, gebucht und bezahlt war, war es eigentlich schon wieder Zeit zum Mittagessen. Während ich das aufschreibe, fällt mir erst so richtig auf, wie dekadent unser Aufenthalt im Sultan Beach tatsächlich war. Aber im Urlaub sollte man es sich gut gehen lassen, das ist Balsam fürs Gemüt.
Um 14 Uhr traf man sich wieder vor dem Hotel, um mit einem Luxusreisebus die Rundfahrt durch jene Stadt anzutreten, die man „Strand des Horus“ oder eben Hurghada nennt. Unser Guide hieß Mohamed und wie sich während des Nachmittags herausstellte, kannte er das Allgäu sehr gut. Ja, die Welt ist klein!
Unsere erste Station war das Restaurand „Felfela“, benannt nach einer ägyptischen Spezialität, wo es ein zweites Mittagessen gab. Wie gut, dass man vom Meerklima einen gesunden Appetit bekommt! Zur Vorspeise wurde Felfela, Sesamsalat, Fladenbrot und Gurken/Tomaten-Salat gereicht. Danach gab’s entweder Fisch oder Spießchen mit Hühnerfleisch und Gemüse. Zum Nachtisch durften wir vom guten ägyptischen Schwarztee kosten und uns an der Shisha versuchen. Hierbei handelt es sich um eine klassische Wasserpfeife, die in Ägypten an jeder Ecke geraucht wird. Wir sahen uns das Ganze für den Anfang am Nachbartisch an, und nachdem dort niemand vom Stuhl fiel, beschlossen unsere Tischgenossin und ich, dass es nie schaden kann, den Erfahrungshorizont zu erweitern. Also rauchten wir fröhlich mit und fielen auch nicht vom Stuhl.
Nach diesem mit Bravour bestandenen ersten Agypten-Überlebenstest erklommen wir nun die Sonnenterasse des Restaurants, um den herrlichen Rundblick über die schönen Häuser und das türkisblaue Rote Meer zu genießen. Es war an diesem Tag für ägyptische Verhältnisse eher kühl, nur 38°C. So hält es auch ein europäisches Weichei wie ich eine Weile in der Sonne aus.
Die nächste Station auf unserer Erkundungstour war der Werfthafen von Hurghada. Nein, man darf sich das nicht wie im Hamburger Hafen vorstellen. In dieser Werft werden hauptsächlich private Yachten und Boote ganz klassisch ausschließlich aus Holz gebaut. Den Männern bei der Arbeit zuzusehen war durchaus interessant, zumal sich einem hier sehr anschaulich die ägyptische Gelassenheit erschließt: Bloß kein Stress! Ob man uns Deutschen das auch mal beibringen könnte?
Nachdem wir über ägyptischen Schiffsbau nun ausreichend Bescheid wussten, ging’s weiter zum „Hurghada Aquarium“, so eine Art Fischmuseum. Im Roten Meer leben zwischen den bunten Korallenriffen ca. 100.000 verschiedene Fischarten, von denen in jenem Museum einige zu bestaunen sind. Jede Sorte hat dort ein eigenes Aquarium und eine Tafel darüber erklärt, wie der Fisch heißt und wie er sich zoologisch einordnen lässt.
Wenn man mit soviel Wasser in Berührung kommt, ist es irgendwann an der Zeit für ein wenig trockene graue Theorie. Mohamed erzählte uns, zurück im Luxusreisebus, von seinem Land, von den Menschen und vor allem vom Islam. Er äußerte sein absolutes Unverständnis für jede Form von Extremismus und ließ uns wissen, dass im Koran deutlich geschrieben steht, dass der Islam das Christen- und das Judentum als gleichwertig betrachtet.
Ägypten war zu jener Zeit ein schönes Beispiel dafür, dass Toleranz durchaus funktionieren kann, lebten hier doch Muslime und koptische Christen seit langer Zeit friedlich nebeneinander. 85% der Bevölkerung Ägyptens gehören dem Islam an, die restlichen 15% sind Christen. Wobei man wissen sollte, dass die Kopten in vielen Glaubensfragen viel strenger sind als die dagegen beinahe liberal erscheinende katholische Kirche.
Während Mohamed erzählte, kamen wir bei unserem nächsten Ziel an: die Hauptmoschee von Hurghada, die man als Tourist leider nicht mehr betreten darf, seit es vor einigen Jahren einen Zwischenfall gab: Eine sturzbetrunkene Touristin meinte, sie müsse nur mit einem Bikini bekleidet vor den betenden Männern herumstolzieren. Dass der Imam das gar nicht witzig fand, kann man sich denken…
Aber die Moschee ist wunderschön. Diese orientalische Architektur vermittelt einem das Gefühl, als würde im nächsten Moment ein fliegender Teppich um die Ecke kommen. Meinem Gefühl für Ästhetik sagt dieser Stil jedenfalls mehr zu als diese kitschigen, pompösen Kirchen daheim in Bayern.
Natürlich bekamen wir auch die Gelegenheit, eine koptische Kirche anzusehen, die zum Glück gar nichts mit bayrischem Kitsch gemeinsam hatte. Im Gegenteil. Es handelte sich um ein sehr freundliches, offenes Gebäude, in dem man dennoch die vertrauten Bilder und Elemente wiederfinden konnte.
Nach soviel religiöser Weiterbildung war es nun an der Zeit, sich mit etwas ganz Weltlichem zu beschäftigen – unser Weg führte uns nämlich zum Basar, wo man nur mit viel Geduld und Gelassenheit vermeiden kann, dass man entweder ausflippt oder unversehens etwas kauft. Feilgeboten wird auf den Basaren so manches: Vom Tee bis zur Wasserpfeife, von Gewürzen bis zu Teppichen, von Kleidungsstücken bis zu Souvenirs. Wir überließen das Einkaufen aber vorerst den anderen und versuchten unser Glück darin, in einer Thomas Cook Filiale an ein paar Euros zu kommen. Irgendwie hatten wir in Ägypten immer dieses seltsame Gefühl, dass der Euro als Zahlungsmittel lieber gesehen wird als das Ägyptische Pfund.
Eine dreiviertel Stunde später hatte dann jeder was er wollte, so dass wir uns mit dem Luxusreisebus wieder zurück ins Hotel begeben konnten.
Nach dem Abendessen trauten wir uns trotz negativer Erfahrungen vom Vortag wieder nach draußen, um in „Pharao’s Supermarket“ gleich ein paar Ansichtskarten zu kaufen. Schließlich freuen sich die Daheimgebliebenen immer über diese rechteckigen Stücke Fernweh.
Reisetag 3
17.07.05
Der Sonntag stand ganz im Zeichen der Faulheit. Nach einem opulenten Frühstück rieben wir uns ordentlich mit Sonnencreme ein und dann ging’s erstmal ab in den Pool. Das Beste an diesem Pool war definitiv die sich darin befindende Bar, zu der man hinschwimmen, sich gemütlich auf den Unterwasserbarhocker setzen und ein kühles Getränk schlürfen kann. Total dekadent, aber in jedem Fall eine feine Sache.
Nachmittags schlugen wir unser Lager dann am hoteleigenen Strand auf. Da Liegen, Sonnenüberdachung und Handtücker vom Hotel kostenlos überlassen wurden, brauchten wir schon nicht die eigenen Handtücher auszupacken…
Das Rote Meer ist eine Klasse für sich. Im angeblich salzhaltigsten Meer der Welt (auf 100 Teile Wasser kommen 41 Teile Salz) kann man sich einfach auf’s Wasser legen und treiben lassen. Wer hier untergeht, macht definitiv irgend etwas falsch. In so bequemer Lage muss man höllisch aufpassen, dass man sich keinen Sonnenbrand holt, während man so vor sich hindöst.
Am Abend warfen wir dann einen interessierten Blick auf das im Hotel befindliche Schwarze Brett von Berge&Meer, wo wir erfuhren, dass wir auf dem Kreuzfahrtschiff die Kabine Nr. 328 haben würden.
Den Abend schlossen wir mit einem gemütlichen Abendspaziergang ab, der uns diesmal in die Richtung führte, wo keine Geschäfte waren. Der einzige Verkäufer, der uns begegnete, war ein junger Mann, der Papyri feilbot…
Reisetag 4
18.07.05
Morgens um halb sieben wurden wir mittels Weckruf aus dem Bett geworfen. Wir stellten die Koffer, die wir am Vorabend noch mit unserer Kabinennummer markiert hatten, zur Abholung vor die Tür unseres Zimmers und stärkten uns am Früchstücksbuffet für die bevorstehende Wüstenfahrt.
Diese begann um halb acht. Zuerst führte uns der Weg zu einem ausserhalb Hurghadas gelegenen Resort, wo wir weitere Gäste einsammelten. Gegen 8 Uhr trafen sich dann sämtliche Busse an einem Sammelplatz, um von dort im Konvoi nach Luxor zu fahren.
Wenn man in Ägypten auf den typischen Touristenstrecken unterwegs ist, fährt man zwangsläufig immer im Konvoi, der von diversen Polizeifahrzeugen begleitet wird. Das Land befindet sich seit dem 6-Tage-Krieg gegen Israel im Ausnahmezustand: Es gelten das Kriegsrecht und die Notstandsregelungen. Zudem gibt es immer wieder Anschläge islamistischer Extremisten auf touristische Ziele. Man kann den Ägyptern diese Vorsicht, die manchmal recht paranoid wirkt, nicht verdenken, denn das Land lebt vom Tourismus.
So waren wir also unterwegs quer durch die Arabische Wüste, eine mit Bergen und Felsen durchzogene Steinwüste, die einen nach einer Weile ziemlich deprimieren kann. Mitten in der Wüste gab es eine Pinkelpause, wo man für ein Pfund zwei Blatt Klopapier erwerben konnte.
Wir glaubten fast nicht mehr an die Existenz dieses ominösen, grünen Niltals, bis wir endlich die ersten Palmen sahen. Zwischen grünen Wiesen, Palmen und Bananenbäumen führte uns der Weg schliesslich nach Luxor, jener uralten Stadt, die sich irgendwie ins dritte Jahrtausend n.Chr. gemogelt hat. Auf dem Weg zur Schiffsanlegestelle konnten wir bereits einen ersten Blick auf den Amuntempel erhaschen, was durchaus für die Wüstenfahrt entschädigte.
Man versicherte uns, dass die Koffer wohlbehalten zu den richtigen Kabinen im richtigen Kreuzfahrtschiff gebracht würden, so dass wir den Bus verlassen konnten. Draußen erwartete uns bereits der Reiseleiter, der die nächsten Tage unser Begleiter sein würde. Er hiess Ahmed und stellte erstmal fest, dass ihm „Bergemeer“ gar nicht gefalle und taufte uns um in „Sonnenkinder“ – wobei wir diesem Titel nicht immer gerecht werden konnten.
Auf dem Schiff gab es zur Begrüßung ein beliebtes ägyptisches Nationalgetränk: Karkadeh, oder einfach Malventee. Stark gesüßt und eisgekühlt ist dieser Tee eine willkommene Erfrischung und hilft auch dem müden Kreislauf auf die Sprünge.
Ahmed erklärte der versammelten Runde von Sonnenkindern das Nachmittagsprogramm, das als erstes das Mittagessen vorsah. Wenn dann jeder sich in seiner Kabine und auf dem Schiff zurechtgefunden habe, stehe uns am Spätnachmittag die Besichtigung des Karnak-Tempels und des Luxor-Tempels bevor.
Die Ägypter sind wirklich sehr freundliche und hilfsbereite Leute, aber auf unserem Schiff hatten sie eines gewiss nicht im Griff: Organisation! An der Rezeption gab es eine längere Diskussion, weil eine noch sehr jugendliche Reiseteilnehmerin unbedingt ihr Zimmer in der Nähe der Eltern haben wollte. Und wie das Schicksal manchmal so spielt, wurden wir dann kurzerhand in Kabine Nummer 304 umquartiert, was sich im Nachhinein als echter Segen herausstellte. Allerdings begann nun eine wilde Kofferodyssee, da unsere Koffer natürlich nun vor der falschen Kabine standen. Aber irgendwie bekamen wir das auch noch hin. Das Mittagessen hatten wir uns nun wirklich verdient.
Auch im Speisesaal ging es etwas chaotisch zu, aber wir bekamen den Tisch, an dem wir die nächste Woche bleiben würden. Dieses Glück hatten nicht alle Mitreisenden.
Unser Schiff trug den Namen „L’aube du Nil“, was laut Ahmed „Morgenröte“ heisst. Das Schiff hatte 5 Decks. Unten befand sich der Speisesaal direkt an der Wasserlinie. Darüber war die Eingangshalle mit der Rezeption, einer Sitzecke sowie einigen Kabinen. Auf dem Deck darüber waren ausschliesslich Kabinen zu finden, ausserdem befanden sich dort noch zwei kleine Ladengeschäfte – eines für Souvenirs, eines für Bekleidung. Auf Deck 4 befanden sich ebenfalls Kabinen sowie eine sehr gemütliche Lounge, in der die Abendveranstaltungen stattfanden. Deck 5 schliesslich war das Sonnendeck mit vielen Tischen und Stühlen und einer Bar, sowie einem kleinen Swimmingpool und mehreren Liegen. Hier konnte man es durchaus aushalten.
Letzendlich schaffte es dann jeder, sowohl seine Kabine als auch die wild auf dem Schiff verstreuten Koffer zu finden. Mit Geduld und Bakschisch ist in Ägypten so manches möglich….
Pünktlich wie die Maurer (naja, nicht wirklich…) fanden sich alle Sonnenkinder um 16.30 Uhr in der Eingangshalle ein. Ausgestattet mit Fotoapparaten, Videokameras und Reiseführern konnte die Besichtigungstour losgehen. Nachdem Reiseleiter Ahmed sich überzeugt hatte, dass alle da waren, ging es mit unserem Luxusreisebus zunächst zum Karnak-Tempel, unserer ersten Station auf der mehrtätigen Entdeckungsreise.
Und dieser Tempel ist… unglaublich! Der höchsten altägyptischen Gottheit Amun sowie seiner Frau Mut und dem gemeinsamen Sohn Chons geweiht, war dieser Tempel in Theben (das heutige Luxor) für lange Zeit eines der wichtigsten Heiligtümer überhaupt. Es handelt sich um die größte Tempelanlage, die es in Ägypten noch gibt und eigentlich ist sie eher eine Ansammlung mehrerer Tempel. Allein der Anblick der beiden Pylone, zwischen denen sich das Eingangstor befand, lässt einen ahnen, wie prunkvoll Ägypten zur Zeit der Pharaonen gewesen sein muss.
Doch zuerst wird ein genauerer Blick auf die Sphingen vor dem Eingang zum Tempel geworfen. Einst gab es eine 3 km lange Sphingenallee, die den Karnak-Tempel mit dem Luxor-Tempel verband. Einmal im Jahr trugen die Priester die Heiligenfigur des Amun auf einer Barke durch diese Allee zum Luxor-Tempel für die Dauer eines der wichtigsten religiösen Feste. Heute sind von der Allee nur noch traurige Überreste geblieben, aber die Natur hat mich zum Glück mit einer regen Fantasie ausgestattet, so dass sich vor dem inneren Auge jene Bilder aus der Vergangenheit einfanden.
An den widderköpfigen Sphingen vorbei führt der Weg zum Eingang des Tempels und schon befindet man sich auf dem ersten offenen Hof. Von dort führt der Weg in den zweiten Hof. Ahmed nutzte die wenige Zeit, die wir hatten, um einen ersten allgemeinen Überblick über das altägyptische Pantheon und einige der am Bau des Tempels beteiligten Pharaonen zu geben.
Im zweiten Hof findet man eine Kolossalstatue des Hohepriesters Pinedjem, der einer der Pharaonen der 21. Dynastie war. Ahmed wollte uns den Herrn zwar als Ramses II. verkaufen, aber zum Glück gibt es genügend Bücher zum Thema…
Das Atemberaubendste im ganzen Tempel ist aber in jedem Fall der große Säulensaal, der 134 Säulen mit einer Höhe von 16 bzw. 23 Metern (Mittelgang von Amenophis III.) beherberbergt. Als Mensch fühlt man sich in dieser gewaltigen Halle winzig klein und kann nicht anders als mit offenem Mund über die gigantomanische Baukunst jenes rätselhaften alten Volkes staunen. Jede Säule ist mit Hieroglyphen und Bildern verziert, die teilweise größer als ein Mensch sind, im Gesamtbild dennoch eher klein wirken. Man sieht Szenen von Pharaonen, die den Göttern (vornehmlich Amun) Opfergaben darbringen, Kartuschen mit den Königsnamen und vieles mehr, das man in seiner ganzen Fülle kaum aufnehmen kann.
Nach dem Verlassen des Säulensaals, von dem man sich nur schwer abwenden kann, trifft man gleich auf das nächste Wunder in Form von zwei Obelisken, einer von Tuthmosis I. und 23 Meter hoch, der andere von Hatschepsut und 30 Meter hoch. Unter den Pharaonen war es Sitte, dass jeder die Werke des Vorgängers noch übertreffen wollte. Dies ist vielleicht auch ein Grund, warum an diesem Tempelkomplex über 1.500 Jahre von allen möglichen Herrschern herumgebaut wurde… Ahmed erzählte, dass die Obelisken, von denen auch immer jeweils zwei vor den Fassaden der Tempel standen, versteinerte Sonnenstrahlen darstellten, die ein Geschenk des Sonnengottes waren. Erstaunlich ist, dass diese riesigen Obelisken, deren Spitze sich zu einer Pyramide verjüngt und zu damaliger Zeit mit Blattgold verziert war, aus einem einzigen Granitblock bestanden. Noch heute streiten sich Wissenschaftler darüber, wie die Alten Ägypter ihre Obelisken aufgerichtet haben mochten.
Wendet man sich bei den Obelisken nach rechts, erreicht man den Heiligen See, in dem die Priester rituelle Waschungen und Bootsfahrten vornahmen. Direkt davor steht eine kleine Säule, auf der ein großer Skarabäus ruht. Der Skarabäus stellt hier den Sonnengott Amun bei Sonnenaufgang dar. Eine kleine landläufige Legende erzählt, dass ein Mädchen, das auf der Suche nach einem geeigneten Gatten ist, nur siebenmal im Uhrzeigersinn um diesen Stein laufen müsse, dann gehe ihr Wunsch in Erfüllung. Da ich schon verheiratet bin, konnte ich es aber nicht ausprobieren…
Das Tempelareal ist riesig! Auf unserer Erkundungstour entdeckten wir viele Nebenräume des Tempels, die beispielsweise von Ramses II., Ramses III. und einigen anderen angefügt worden waren. Auch lässt sich hier eine sehr akkurate Geometrie feststellen: Der Tempel ist auf einer Achse angeordnet. Wenn man durch den Eingang kommt, kann man in kerzengeradem Schritt den ersten und zweiten Hof, den Säulensaal und das Allerheiligste durchwandern. Leider gibt es auch viele Teile des Tempels, die wir wegen des engen Zeitrahmens nicht sehen konnten, wie zum Beispiel zwei Nebentempel im hinteren Bereich des Areals.
Wunderschön sind die Reliefs, die man überall zu sehen bekommt (ausser auf den Pylonen am Eingang, da diese nie fertig gestellt wurden). Es ist ein Jammer, dass wir nie gelernt haben, Schrift und Sprache zu übersetzen!
Und weil wir gerade bei den Pylonen sind: Im ersten Hof ist eine Rampe aus ungebrannten Lehmziegeln zu sehen, über welche die Arbeiter die Steine nach oben beförderten. Dies gab den Archäologen einen Hinweis darauf, wie es die Alten Ägypter geschafft hatten, derart riesige Bauwerke zu errichten.
So eine Tempelbesichtigung macht einen fertig! Nicht, weil sie einen körperlich so anstrengen würde, sondern weil einen diese unglaubliche Kultur einfach überwältigt. Nach Verlassen des Karnak-Tempels musste ich mir erstmal die Augen reiben und ganz langsam in die Realität zurück finden. Allein das Gefühl von angenehmer Gänsehaut, das einen im Säulensaal überkommt, ist einmalig – man kann das nicht beschreiben, man muss hinfahren und es selbst erleben!
Wer jetzt glaubt, wir hätten nun schon genug von Altertümern nach diesem Besuch im Karnak-Tempel, der irrt! Unser Luxusreisebus beförderte uns nun ins Zentrum von Luxor, wo 3 km vom Karnak-Tempel entfernt der Amuntempel zu finden ist. Schon beim Verlassen des Busses fällt einem der 25 m hohe Obelisk ins Auge. Einstmals standen hier, wie vor vielen anderen Tempeln auch, zwei Obelisken, doch der zweite wurde 1833 nach Frankreich gebracht und steht bis heute auf dem Place de la Concorde in Paris. Den Eingang des Tempels flankieren zwei Statuen aus schwarzem Granit, die den auf dem Thron sitzenden Pharao Ramses II. darstellen. Auf den gewaltigen Pylonen werden Szenen aus dem Kampf Ramses’ II. gegen die Hethiter dargestellt. Die hauptsächlichen Baumeister des Tempels waren Amenophis III. und Ramses II. – vor allem letzterer hat Ägypten durch seine kolossalen Bauwerke einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Vor dem linken Pylon liegt ein aus schwarzem Granit geschlagener Kopf des Herrschers, dessen schönes Gesicht solche Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlt, das man annehmen muss, Ramses war recht zufrieden mit sich und seiner Welt. Dies wird noch verstärkt durch das angedeutete Lächeln auf den Lippen des Pharaos.
Nachdem man den Tempel betreten hat, gelangt man in den großen offenen Hof, wo einem sofort eine Merkwürdigkeit auffällt: Etwa 20 Meter über dem Bodenniveau des Tempels steht eine Moschee, deren Portal sozusagen in der Luft hängt. Die Moschee wurde im 16. Jahrhundert gebaut, als der Tempel noch völlig im Sand begraben war. Die Baumeister suchten damals einen geeigneten Platz für das Gebetshaus und bauten es sozusagen auf den Tempel. Erst drei Jahrhunderte später wurde der Tempel entdeckt und ausgegraben. Da aber verständlicherweise keiner wollte, dass die Moschee abgerissen wird, hat man eben den Eingang auf die andere Seite verlegt. So existieren Tempel und Moschee für jeden verträglich nebeneinander.
Der Hof, der von Ramses II. gebaut wurde, besticht durch seine Säulen im Papyrusblüten-Design. Erhalten sind auch noch einige Statuen von Osiris und eine weitere von Ramses II, die den Pharao in der typischen Gebetshaltung zeigt – mit den Händen auf den Oberschenkeln und den Blick gen Osten gerichtet, der aufgehenden Sonne entgegen.
Durch einen Säulengang kann man den zweiten Hof von Amenophis III. erreichen, wo das Augenmerk auf zwei weitere Kolossalstatuen fällt. Diesmal stellen sie den Erbauer des Hofs mit seiner Frau Teje dar.
Schliesslich erreicht man das Allerheiligste. Dieses wurde allerdings im zweiten oder dritten Jahrhundert von den frühen Christen zugemauert. Da die Christen auch in Ägypten nicht vor der Verfolgung durch die Römer sicher waren, versteckten sie sich gerne in den verlassenen Tempeln. Um eine kleine Kirche zu haben, versuchten sie alles „Heidnische“ aus dem Tempel zu tilgen. Noch heute kann man ein wenig davon sehen, wie die Hieroglyphen und Götterbilder mit christlichen Heiligenbildern übermalt wurden. Nach so langer Zeit lässt sich aber sagen, dass die ägyptischen Reliefs beständiger waren, da von ihnen noch viel mehr zu sehen ist.
In den Abendstunden, wenn sich die Sonne langsam dem westlichen Nilufer entgegen neigt, wird der Tempel in ein ganz besonderes Licht getaucht. Die Säulen vor der roten Sonne wirken geheimnisvoll. Als dann Ahmed noch von vergangenen Zeiten erzählte, war die Atmosphäre perfekt.
Wieder draußen vor dem Tempel, wo man nur die Straße zu überqueren brauchte, um zur Schiffsanlegestelle zu gelangen, jagte uns Ahmed noch einen ziemlichen Schrecken ein, indem er ganz beiläufig meinte, dass man sich am nächste Morgen früh auf den Weg ins Tal der Könige machen würde und die Weckzeit daher auf 6 Uhr festgelegt worden sei. Eine Mitreisende regte sich furchtbar darüber auf, dass es ja nicht sein könne, im Urlaub zu so unchristlicher Zeit aufstehen zu müssen. Ahmeds Kommentar war sinngemäß: „Wenn Sie im Urlaub ausschlafen wollen, hätten Sie in Hurghada bleiben müssen.“ Dieser Satz spiegelte unsere Meinung durchaus wider und brachte die Dame abrupt zum Schweigen.
Mit einem letzten Blick auf die Pylone, den Obelisken und natürlich Ramses machten wir uns dann auf den Rückweg. In Ägypten eine Hauptstraße zu überqueren ist eines der letzten Abenteuer, die man heutzutage noch erleben kann. Vor allem die Taxifahrer mit ihrem Kamikaze-Fahrstil könnten einem durchaus zum Verhängnis werden. Aber unser Ahmed, hart erprobt im ägyptischen Straßenverkehr, brachte uns sicher auf die andere Seite.
Der Abend verlief dann recht geruhsam. Das Abendessen war wie immer gut, auch wenn man sich daran gewöhnen musste, dass es in Ägypten keine Soßen zu geben scheint. Später saßen wir dann noch auf dem Sonnendeck, genossen die warme Luft, die von der Wüste herüber wehte, und liessen den Abend ausklingen.
Reisetag 5
19.07.2005
Zugegeben, es ist schon hart, im Urlaub zu einer Zeit aus dem Bett zu kriechen, zu der man dies normalerweise nur tut, wenn man arbeiten muss und einem nichts anderes übrigbleibt. An diesem Morgen waren wir allerdings alle hellwach und wissensdurstig, weshalb beim Frühstück kaum gegähnt wurde. Nach zwei Tassen Nescafe und tausend Kalorien in Form von extrem süßem ägyptischem Plundergebäck später, verliesen wir unser Hotelschiff um halb sieben. Da wir am Ostufer des Nils angelegt hatten und sich das Tal der Könige am Westufer befindet, folgte eine Fahrt in einem recht abenteuerlichen Motorboot quer über den Nil.
Im Alten Ägypten fand das Leben am östlichen Ufer des Nils statt, während am Westufer die Nekropolen angesiedelt wurden.
Dass die Alten Ägypter nicht gerade ein Muster an Bescheidenheit waren, sahen wir schon kurz nach unserer Ankunft auf der anderen Nilseite wieder mal bestätigt. Ein weiterer Luxusreisebus brachte uns zuerst zu den Memnonkolossen, zwei 20 m hohen Kolossalstatuen, welche einst den Eingang des Totentempels von Amenophis III. zierten. Von dem Tempel ist allerdings nichts mehr übrig, da wohl einer der Amtsnachfolger des Pharaos den Tempel als praktischen Steinbruch betrachtete und ihn entsprechend Stück für Stück abtragen liess. Die Kolosse stehen aber nach wie vor und haben laut Ahmed schon so manches Erdbeben überstanden. Bei einem dieser Erdbeben bekam eine der Statuen Risse, durch die im Morgengrauen, wenn der Wind durch den feuchten Stein pfiff, Geräusche verursacht wurden, die wie Wehklagen klangen. Man schrieb diese Klagelaute, die man sich anders nicht erklären konnte, einem Mann namens Memnon zu, der in der griechischen Mythologie vor den Toren Trojas von Achilles getötet worden war. Es gibt auch eine Version, in der Memnons Mutter, die Göttin Aurora, um ihren getöteten Sohn weint. Die Geräusche sind heute allerdings nicht mehr zu hören, weil die Statuen irgendwann restauriert worden sind.
Von den Memnonkolossen aus sind es nur noch wenige Minuten im Luxusreisebus bis zum Tal der Könige, welches auf den ersten Blick absolut unspektakulär ist. Das Tal besteht aus einem etwas breiteren Hauptweg, von dem immer wieder Seitenäste abgehen, über die man zu den einzelnen Grabeingängen gelangen kann. Über 20 Grabstätten hat man bereits ausgegraben, doch es werden stetig mehr, denn es ist noch längst nicht alles entdeckt. Als Normaltourist darf man freilich nicht alles ansehen. Drei Gräber werden einem gegönnt. Wenn man allerdings bereit ist, nochmal 70 Pfund abzudrücken, darf man sich auch noch das total unspektakuläre und kleine Grab von Tutanchamun anschauen. Das kostet vor allem deshalb extra, weil der Gute einer der berühmtesten Pharaonen ist. 1922 wurde das Grab von Howard Carter als das einzige Grab entdeckt, das nicht von Grabräubern heimgesucht worden war. Die unermesslichen Goldschätze aus dem Grab (inklusive der berühmten Totenmaske) sind heute im Ägyptischen Museum in Kairo zu bewundern – zumindest jene Gegenstände, die Carter nicht in Großbritannien verhökert hat.
Wir bestaunten die Grabstätten von Ta-usert/Setnakht, Sethos I. und Ramses IX.. Die Reliefs an den Wänden sind von erstaunlicher Schönheit und bewundernswertem Detailreichtum. Auch sind die Farben bestens erhalten geblieben. Was man aber kaum fassen kann, ist, wie es die Alten Ägypter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln schaffen konnten, die Gräber viele Meter tief in den Fels hineinzuschlagen. Die Grabstätten sind ähnlich wie die Tempel in einer Achse angeordnet, auf der sich verschiedene Vorkammern und zuletzt die Sarkophagkammer befinden.
Erschlagen von sovielen Bildern und von der stickigen Luft in den Gräbern fanden wir uns nach einer Weile wieder am Treffpunkt ein. Wir kauften einem Händler noch eine Postkartensammlung mit Fotos aus den Grabstätten ab (in denen das Fotografieren verboten ist, was den ortsansässigen Händlern die Gelegenheit gibt, das eine oder andere Pfund dazuzuverdienen). Der Händler behauptete, unser zerfledderter 20 Pfund-Schein sei nur 15 Pfund wert aufgrund dessen, dass der Schein wirklich nicht mehr taufirsch war. Nach einer kleinen Diskussion rückte er das Wechselgeld aber doch raus.
Zufrieden konnten wir uns also zum Hatschepsut-Tempel auf der anderen Seite jenes Berges begeben, der das Tal der Könige umschliesst. Der Busparkplatz war ziemlich weit vom Tempel entfernt, so dass wir das letzte Stück des Weges in einer kleinen Elektrobahn zurücklegten. Die Ägypter haben mittlerweile nämlich erkannt, dass die Abgase von Autos und Bussen ihren Kulturdenkmälern nicht wirklich gut tun und ergreifen zumindest teilweise Maßnahmen, um sie zu schützen.
Königin Hatschepsut war eine recht bemerkenswerte Frau. Als Gemahlin von Pharao Thutmosis I. mischte sie sich bereits mit Begeisterung in das politische Geschehen ein und war so eine Art inoffizielle Mitregentin ihres Mannes. Doch irgendwann starb der Pharao und sein Nachfolger liess nicht zu, dass Hatschepsut, die er ebenfalls zur Frau nahm, sich überall einmischte. Thutmosis II. starb in den Armen seiner Frau und man ist sich bis heute nicht im Klaren, ob Hatschepsut da nicht ein bisschen nachgeholfen hatte. Der Pharao hatte keinen wirklich legitimen Nachfahren hinterlassen, so dass der Thron an einen Sohn ging, der ihm von einer seiner Konkubinen geschenkt worden war. Der Knabe war freilich zum Regieren viel zu jung, so dass Hatschepsut sich als eine Art treusorgende Tante wieder in den Vordergrund brachte. Anfänglich regierte sie noch im Namen Thutmosis III., doch schliesslich riss sie die Macht ganz an sich und liess den jungen Pharao beseitigen. Zwanzig Jahre dauerte Hatschepsuts Herrschaft. Im Gegensatz zu den ihr vorangegangenen Männern, hielt sie nicht viel vom Krieg und von Eroberungen. Stattdessen entsandte sie eine Expedition in das geheimnisvolle Land Punt, das vermutlich irgendwo im heutigen Somalia gelegen haben muss, die von dort erstaunliche Dinge mitbrachte. In ihrem Tempel berichtet eine ganze Wand von dieser Unternehmung. Auch Kunst und Kultur erlebten in dieser Zeit eine selten gesehene Blüte. Ein vortrefflicher Baumeister entwarf und baute für Hatschepsut einen Totentempel, der in seiner Architektur wohl zu den schönsten Bauwerken Ägyptens zählt. Die Tempelräume wurden in den gelben Fels hineingeschlagen und terassenförmig auf drei Ebenen angelegt. Auffällig sind die Statuen der Königin, die sich gerne in Männerkleidung und mit dem Zermonialbart der Pharaonen darstellen liess. Geweiht war der Tempel der Göttin Hathor, die für Fruchtbarkeit, Freude, Liebe, Kunst und Musik zuständig war und immer als Kuh oder Frau mit Kuhhörnern dargestellt wurde. Von ihr und von ihrem Mann, dem Falkengott Horus, sind sehr viele Bildnisse zu finden, die teilweise noch immer die Farben aus früherer Zeit tragen. Man stellt schnell fest, dass an vielen Abbildungen und Statuen von Hatschepsut das Gesicht ausgemeiselt wurde, was sich aber begründen lässt: Als Thutmosis III. zu einem Mann herangewachsen war, kehrte er zurück an den königlichen Hof. Hatschepsut hatte wohl nicht die richtigen Leute ausgewählt, um den lästigen Knaben zu beseitigen. Thutmosis tötete die Frau, die ihm für so lange Zeit genommen hatte, was ihm gebührte, und wurde nun endgültig als der rechtmäßige Pharao gekrönt. Aus Hass und Wut liess er alles vernichten, was Hatschepsut geschaffen hatte – nur diesen einen Tempel nicht, da dieser auf heiligem Boden stand.
So erklärt sich, warum vielen Bildern und Statuen das Gesicht fehlt, bzw. das Gesicht durch das von Thutmosis III. ersetzt wurde, und warum sich Tuthmosis’ III: Namenskartusche überall in Hatschepsuts Tempel finden lässt.
Leider gibt es zu diesem Tempel auch eine sehr tragische Geschichte: Im Jahre 1997 während der Hauptsaison, als sich sehr viele Leute in diesem Tempel aufhielten, kamen von den umgebenden Bergen sechs schwerbewaffnete Terroristen, die 60 Menschen töteten. Allein in der Anubiskammer kamen 35 Schweizer ums Leben. Bis heute konnte nicht herausgefunden werden, aus welchem Motiv dieser Anschlag stattgefunden hatte. Den Tourismus, der zwei Drittel des ägyptischen Staatshaushaltes bestreitet, brachte dieser Anschlag für etwa ein Jahr fast zum Erliegen. Dieses Jahr genügte, um Ägypten vom aufstrebenden Schwellenland zurück in die Dritte Welt zu werfen. Die Terroristen wurden noch an Ort und Stelle von Polizisten erschossen. Doch wie soll man je verstehen, warum es immer wieder Menschen gibt, deren einziges Lebensziel darin zu bestehen scheint, andere Menschen ins Verderben zu stürzen?
Mittlerweile hatte das Thermometer die 40°C-Marke längst erreicht und es ging schon stark auf Mittag zu. Wir hatten für diesen Vormittag nun auch nur noch eine Station vor uns: Eine Alabasterwerkstatt, in der heute noch mit traditionellen Werkzeugen Krüge und Figuren aus Alabaster gefertigt werden, die dann auf den Touristenbasaren verkauft werden. Seltsamerweise schafften wir es trotz der wirklich großen Auswahl an wunderschönen Stücken, nichts zu kaufen. Aber schön sind die Arbeiten allemal, so dass man einiges zu sehen bekommt.
Schliesslich lieferte uns der Luxusreisebuss wieder an der Bootsanlegestelle ab, wo es mittels Motorboot wieder zurück ans Ostufer ging. Auf unserem Hotelschiff wurden wir mit kühlen Getränken empfangen, was pure Labsahl für Leib und Seele war.
Nach einem weiteren soßenlosen Mittagessen ging es dann endlich mit der Kreuzfahrt los. Für die ersten 30 km von Luxor nach Esna brauchten wir nicht sehr lange, aber es blieb Zeit genug, um es sich gemütlich zu machen und das langsam vorbeiziehende Nilufer zu beobachten, von wo aus uns immer wieder Menschen zuwinkten. Andere sahen wir bei der Arbeit auf dem Feld oder in den Bananenplantagen. Und zwischendurch begegnetem wir auch einem Fischer. Die Ägypter haben eine recht ungewöhnliche Art zu fischen. Zuerst wird ein Netz ausgelegt und dann schlägt einer mit einem gebogenen Paddel mehrmals aufs Wasser, um die Fische ins Netz zu treiben. Wir nannten diese recht merkwürdig wirkende Tätigkeit sinngemäß „Fische prügeln“.
Am späten Nachmittag kamen wir in Esna an, wo nun die große Warterei begann. Hier ist die einzige Schleuse im ägyptischen Teil des Nils zu finden, welche in 45 Minuten nur zwei Schiffe gleichzeitig passieren können. Dies ist ein Umstand, den sich die Händler zu Nutzen machten. In kleinen Ruderboten und mit lautem Geschrei wie „’Olla! Olla!“ kommen sie vom Festland her und bieten ihre Waren feil. Wenn sich nicht spontan ein Käufer findet, packen sie die Ware (hauptsächlich Kleidungsstücke) in eine Plastiktüte und werfen sie aufs Sonnendeck. Als potentieller Kunde kann man sich dann aussuchen, ob man das Teil behalten will oder nicht. Kaufwillige stecken den Betrag, den sie zu zahlen bereit sind, in die nun leere Tüte und werfen sie zurück zum Händler. Das ganze Szenario wirkt ziemlich grotesk, aber man hat beim Zuschauen auf jeden Fall einen Heidenspaß.
Nachdem die Händler zufrieden wieder abgezogen waren, gab es für die Berge&Meer-Leute, neuerdings Sonnenkinder genannt, eine Infoveranstaltung, in der Ahmed erzählte, wie der weitere Ablauf unserer Kreuzfahrtwoche gestaltet sein würde. Wir meldeten uns bei der Gelegenheit gleich noch spontan für die freitägliche Fahrt nach Abu Simbel und eine Stadtrundfahrt in Assuan an. Jene Mittouristin, die sich am Vortag schon über das frühe Aufstehen beklagt hatte, mäkelte diesmal herum, sie halte es für eine Frechheit, dass die Reisegesellschaft nicht das Wasser zum Zähneputzen kostenlos zur Verfügung stelle. In Ägypten ist es so, dass den Touristen empfohlen wird, kein Nilwasser zu trinken, und es wird auch geraten, zum Zähneputzen Mineralwasser zu verwenden. Dies liegt weniger an der Wasserqualität des Nils als an der Tatsache, dass im Nil Bakterienstämme leben, mit denen ein mitteleuropäischer Magen seine Probleme hat. Ahmed wiegelte die Frau sehr gekonnt ab: „Es hat keiner gesagt, dass Sie das Nilwasser nicht benutzen dürfen – das ist kostenlos“. Allseits Gelächter und eine beleidigte Leberwurst…
Als wir das alles geklärt hatten, wies Ahmed noch auf die Galabia-Party hin, die am nächsten Abend stattfinden würde. Jenes bis zu den Fußknöcheln reichende Gewand, das in der arabischen Welt oft getragen wird, nennt man Galabia oder zu Deutsch Kaftan. Es solle bitteschön jeder in so einem Ding zur Party kommen. Nein, es war keine Pflicht und wir entschlossen uns am nächsten Vormittag dafür, dem Wunsch nicht nachzugehen – dazu aber später mehr.
Das Abendessen, welches sich vom Mittagessen und dem Essen am Vortag nicht sonderlich unterschied, machte satt. Nur wurde es langsam langweilig…
Ich weilte zu dem Zeitpunkt, an dem wir endlich die Schleuse passieren konnten, längst im Land der Träume. Es muss weit nach Mitternacht gewesen sein. Die Reihenfolge, in denen die Schiffe dran kamen, war für uns nicht ersichtlich. Wir vermuten, dass es dabei auf die Höhe des Bakschisch ankam, dass der Kapitän dem Schleusenwärter zukommen liess…
Reisetag 6
20.07.2005
Damit die Urlaubsgäste auch einmal die Chance haben sollten, sich ordentlich auszuschlafen, begann die nächste Besichtigungstour in Edfu erst um 9 Uhr. Dies bedeutete für die Frühaufsteher ein ausgiebiges Frühstück.
Wir waren also, nachdem wir die Schleuse in Esna passiert hatten, nach Edfu geschippert und hatten dort angelegt. Als wir jetzt im herrlichen Sonnenschein das Schiff verließen, erwartete uns eine größere Anzahl Pferdekutschen. Der Horustempel, den wir hier besichtigen wollten, liegt von der Anlegestelle ein größeres Stück entfernt, so dass es eines Transportmittels bedurfte. Da immer im Luxusreisebus zu fahren irgendwann auch langweilig wird, gab es diesmal eben Pferdekutschen. Diese Zweispänner, in denen man mit etwas Geschick zu viert Platz findet, sind recht abenteuerliche Gefährte. Man braucht nicht zu glauben, dass es sich hier um eine beschauliche, romantische Kutschfahrt handelte! Die Ägypter lenken ihre Pferdekutschen ähnlich wie sie Auto fahren, so dass man sich gut festhalten muss, um nicht heraus zu fallen.
Nach 15 Minuten Fahrt kamen wir ziemlich durchgeschüttelt am Tempel an, ein monumentales Werk aus ptolemäischer Zeit. Der Bau des Tempels fand zur Zeit Ptolemaios XII. statt, welcher der Vater von jener Kleopatra war, deren Nase maßgeblich zum Verlauf der Geschichte beitrug, wenn man Blaise Pascal glauben schenken mag.
Der Tempel gilt als der am besten erhaltene von ganz Ägypten und war dem Falkengott Horus geweiht, dem man gleich vor dem Eingang in Form zweier überlebensgroßer Statuen aus schwarzem Granit begegnet. Auf den Pylonen sind meterhohe Reliefs zu sehen, in denen der Pharao seine Feinde erschlägt und den Göttern Horus und Hathor als Opfergaben darbringt. Über dem Eingangsportal fällt einem ein Symbol ins Auge, das eine Sonnenscheibe zwischen zwei aufgerichteten Kobras und ausgebreiteten Flügeln darstellt. Dieses Schutzsymbol ist an vielen Tempeln zu sehen und steht für den Schutz, den die Götter dem Tempel garantieren.
Im Inneren des Tempels fallen einem nicht zum erstenmal ausgemeiselte Reliefs auf, denn auch hier haben die frühen Christen gelebt und versucht, die Überbleibsel der altägyptischen Religion zu zerstören. An den Decken ist von den herrlichen Malereien auch nichts mehr zu sehen, da die Christen die Räume auch als Küche nutzten, wobei ordentlich Ruß erzeugt wurde.
Wir sahen aber geflissentlich darüber hinweg, dass die Räume total verrußt und die Reliefs ohne Gesichter waren. Merkwürdigerweise waren aber nur die Reliefs, an die man stehend heranreichen konnte, zerstört worden.
Trotz aller Widrigkeiten findet man aber auch im Edfu-Tempel viele kleine Kostbarkeiten, die durchaus entschädigen können. Eine interesante Sache zum Beispiel ist der Nilometer. Im Alten Ägypten wurden die Steuern von den Priestern erhoben und eingetrieben. Wenn im Sommer die Nilüberschwemmung kam, blickten die Priester auf den Nilometer, einen Schacht, der direkt mit dem Nil verbunden war und in dem das Wasser entsprechend dem Stand des Nilhochwassers stieg. Dann gab es eine sehr einfache Regelung: Je höher der Wasserstand, desto mehr fruchtbarer Nilschlamm wurde angeschwemmt, desto ertragreicher würde die Ernte sein, desto höher fielen die Steuern aus. Einfach, aber genial.
Wenn man innen an der äußeren Ummauerung am Nilometer vorbei um eine Ecke geht, findet man ein weiteres Kleinod: An der hintersten Wand des Tempelkomplexes war der Bauplan des Tempels in die bereits fertiggestellte Mauer gemeiselt worden. Ägyptische Tempel wurden immer von hinten nach vorn gebaut, was daran lag, dass das Baumaterial über den Nil herangeschafft wurde und man es nicht durch die schon fertig gestellten Teile des Tempels tragen wollte. So macht es Sinn, dass sich der Plan an genau dieser Stelle befindet.
An der selben Wand befinden sich auch viele sehr detailreiche Hieroglyphen, die als Hochreliefs gemeisselt wurden. Hochreliefs waren im Alten Ägypten immer dann angesagt, wenn der Pharao der Kunst große Bedeutung zukommen liess. Ahmed klärte uns an dieser Stelle darüber auf, wie die Hieroglyphen ins lateinische Alphabet übersetzt werden und gab uns an dieser Stelle gleich eine Hausaufgabe, bis zum Ende der Reise unsere Namen in Hieroglyphen zu schreiben. Natürlich kann man die alten Schriftzeichen nicht einfach so umsetzen, aber für den Touristen reicht das allemal.
Eine Ecke weiter und wir standen vor einer Wand, an der in vielen Bildern eine Geschichte aus der altägyptischen Mythologie erzählt wird: Der Kampf des Horus gegen den Osiris-Mörder Seth.
Der Mythos erzählt von den Göttern Geb und Nut, die vier Kinder hatten: Isis, Osiris, Nephthys und Seth. Isis wurde die Gemahlin von Osiris, während Seth Nephthys ehelichte. Jedoch war Seth auf seinen Bruder Osiris eifersüchtig, weil er selbst die schöne Isis zur Frau haben wollte und ausserdem Herrscher über das Land sein wollte anstelle Osiris’. So tötete er seinen Bruder, zerstückelte die Leiche in vierzehn Teile und versteckte die Teile im ganzen Land. Daraufhin bestieg er den Thron. Die völlig verzweifelte Isis irrte durch die Welt und suchte die Teile ihres Gemahls wieder zusammen. Sie weinte und wehklagte so lange, bis der höchste Gott Amun Mitleid bekam und gemeinsam mit Anubis den Körper wieder zusammensetzte und zum Leben erweckte. Fortan sollte der Untote über die Unterwelt herrschen, doch vorher empfing Isis noch ein Kind von ihm. Als dieser Sohn, Horus, herangewachsen war, brannte in seinem Herzen wilder Zorn gegenüber Seth, sodass er diesen zum Kampf herausforderte, um seinen Vater zu rächen. Bestärkt von seiner Mutter Isis und dem Sonnengott Amun zog Horus in den Kampf, in welchem er letzten Endes Seth besiegen konnte, ihn jedoch nicht tötete. So bestieg nun also Horus den Thron von Ägypten und war fortan jener Gott, mit dem jeder Pharao seinen göttlichen Status rechtfertigte. Horus wird auch immer als der Beschützer des Pharaos angegeben.
Wenn man dem Gang zwischen der äußeren Ummauerung und der Tempelmauer um genügend Ecken gefolgt ist, landet man irgendwann wieder im offenen Hof des Tempels, geht durch den Eingang und schafft es mit viel Glück sogar, eine der Horusstatuen zu fotografieren, ohne dass irgend so ein obercooler Tourist davor posiert.
Im Edfu-Tempel wurden die Sonnenkinder von Ahmed übrigens zu Kindern der heiligen Sonne befördert, weil trotz der Hitze alle interessiert waren und keiner herummäkelte…
Direkt vor dem Tempel befindet sich, wie man das ja mittlerweile gewohnt war, ein Touristenbasar. Scheinbar gibt es da ein direktes Joint-Venture zwischen den Händlern auf diesem Basar und den Organisatoren der Nilkreuzfahrten, denn seltsamerweise finden Galabia-Partys immer an dem Tag statt, an dem man den Edfu-Tempel besucht! Schon auf dem Weg zum Tempel drückte einer der Händler Markus einen Schal in die Hand und bezeichnete diesen als Geschenk. Auf dem Rückweg kreuzte er natürlich wieder unseren Weg und wollte uns – richtig! – Galabias verkaufen. Wir weigerten uns, woraufhin aber auch das Geschenk zurück zu geben war. Von anderen Reisegästen wurde uns erzählt, dass der Galabia-Kurs enorm gestiegen war, weil man plötzlich viel mehr dafür bezahlen musste als überall sonst. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Aber auch diesen Basar brachten wir hinter uns und machten uns wieder auf den Weg zum Pferdekutschenparkplatz, wo uns ein Einheimischer entgegen kam und unsere Kutschennummer wissen wollte, damit er uns dort hinbringen könne. Wir nannten ihm also die 109, woraufhin eine kleine Odyssee begann, die uns überall hin führte, aber nicht zu unserer Kutsche. Außerdem wollte der Kerl dauernd Geld haben! Irgendwann erblickte ich unseren Ahmed, worauf ich Markus am Arm packte und hinter mir herzog, obwohl das Gespräch über Bakschisch noch nicht beendet war. Die Nervensäge lief uns natürlich nach, während Ahmed uns zeigte, wo unsere Kutsche war. Wir stiegen ein, und der nervige Kerl war immer noch da und wollte Geld fürs Nichtstun! Schliesslich maulte ich ihn an: „I really don’t know what you want to have money for!“, woraufhin er sich beleidigt verdrückte.
Während des Mittagessens legten wir in Edfu wieder ab, um unseren Weg nach Assuan anzutreten. Es war ein herrlicher, entspannter und fauler Nachmittag auf dem Sonnendeck. Zur Erfrischung gabs Wasser oder Malventee, natürlich konnte man auch in den Pool hüpfen, um sich etwas abzukühlen, denn je weiter wir gen Süden fuhren, desto heisser wurde es! Wenn ein Glas eine Weile auf dem Tisch stand, wurde es vom Wüstenwind irgendwann so aufgeheizt, dass man fast nicht mehr daraus trinken konnte.
Mittlerweile wussten wir auch, warum einen ägyptenerfahrene Bekannte immer gerne und nachdrücklich darauf hinweisen, dass man unbedingt ein Medikament gegen Durchfall mitnehmen solle. Pharaos Rache hatte uns zu diesem Zeitpunkt nämlich beide eingeholt… Aber zum Glück können derartige Misslichkeiten einem nicht wirklich die Urlaubslaune verderben!
Abends gab es ein arabisches Buffet, was für uns alle eine willkommene Abwechslung war. Die Ägypter und allgemein die Völker der arabischen Welt haben nämlich so manches in ihrem kulinarischen Repertoire, das sehr lecker schmeckt! Während des Essens stellten wir auch erleichtert fest, dass wir nicht die einzigen waren, die sich weigerten, bei dieser Galabia-Verschwörung mitzumachen. Nur etwa die Hälfte der Anwesenden kam verkleidet. Die schönsten Gewänder trugen Daniela und Frank, die zum einen auf Hochzeitsreise waren und zum anderen an unserem Tisch saßen. Sie trugen das traditionelle Hochzeitsgewand, das wirklich toll aussah.
Wir genossen nun also das arabische Abendessen in vollen Zügen und verbrachten den Rest des Abends auf dem Sonnendeck (das zu dieser Zeit ja eigentlich ein Monddeck war). Wir waren aber nicht die einzigen, die auf die recht chaotische Party verzichteten. Hier auf dem Sonnendeck war es angenehm ruhig, auch waren die Temperaturen nicht mehr so hoch. Ab und zu hörten wir den Gesang von einer Moschee, manchmal passierte ein anderes Hotelschiff unseren Weg, während der Nil ruhig dahinplätscherte. Die ganze Atmosphäre war tiefer Frieden.
Reisetag 7
21.07.2005
Irgendwann in der Nacht waren wir wohl in Assuan angekommen, denn als wir morgens aus dem Fenster sahen, ging unser Blick direkt hinaus zur Nilstraße.
Das Frühstück, bestehend aus Nescafe, süßen Teilichen und Obst, genossen wir ausgiebig, und um 8.30 ging es dann mit unserem morgendlichen Besichtigungsmarathon los – das Programm für den Vormittag war üppig…
Der Luxusreisebus brachte die Sonnenkinder zum Steinbruch von Assuan, in dem noch heute die Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit zu finden sind. Das Highlight ist der unvollendete Obelisk, der, hätte man ihn fertiggestellt, mit 60 Metern der mit Abstand größte seiner Art geworden wäre. Teilweise aus dem Fels herausgearbeitet zeigt der Granitblock sehr deutlich den Grund, warum man ihn aufgeben musste. Tiefe Risse ziehen sich durch den Stein, die ihn früher oder später in mehrere Teile hätten zerbrechen lassen. Auch ein weiterer Versuch, aus dem vorhandenen Granitblock einen etwas kleineren Obelisken herauszuarbeiten, scheiterte an weiteren Rissen.
Die Alten Ägypter waren schlaue Leute, das steht wohl ausser Frage. Die Art und Weise, wie sie große Brocken aus dem Fels heraus brachen, ist genauso einfach wie genial. Mit Basalt wurden kleine Löcher entlang der gewünschten Schnittkante gebohrt, die dann mit Holzstiften gefüllt wurden. Wenn man nun reichlich Wasser dazu gab, dehnte das Holz sich soweit aus, dass der gewünschte Brocken regelrecht abgesprengt wurde. Das härteste Material, welches die Alten Ägypter zum Bearbeiten des Granits hatten, war Basalt. Dieser schwarze Stein ist zwar nicht viel härter als Granit, aber hart genug, um den Granit zu behauen und mit Reliefs zu versehen. Im Steinbruch zu arbeiten war sicherlich kein Zuckerschlecken…
Während ich noch dabei war, die einfachen Werkzeuge anzusehen, war Markus auf Fotosafari, während der er auch einem Polizisten über den Weg lief, der ihn mit einem „Kucken!“ hinter einen Felsen lockte. Als aufmerksame Ehefrau beäugt man derartiges natürlich mit Interesse. Ob der ihn verhaften will? Nein, der Grund für den kurzen Polizeigewahrsam war ein 4 Meter tiefer und 1×1 Meter breiter Schacht, der ebenfalls dafür gegraben worden war, mit Holz und Wasser traktiert zu werden. Ob die da den ganzen Steinbruch sprengen wollten, ist aber leider nicht bekannt. Der Polizist jedenfalls hat sich gefreut, dass Markus ein Foto von dem Loch gemacht hat.
Da es in Ägypten nicht nur Altertümer sondern auch technische Meisterleistungen der Moderne gibt, führte uns unser Weg nun zuerst über den alten Assuan-Staudamm hinauf zum weithin bekannten Hochstaudamm. Von deutschen Ingenieuren geplant und von russischen Technikern ausgeführt, wurde der Damm Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts fertiggestellt und ist bis zur Beendigung des Baus am Yanktse in China der größte Staudamm der Welt. Eigentlich ist das Bauwerk weniger ein klassischer Damm als eine Pyramide (das hat in Ägypten schliesslich auch jahrtausendelange Tradition!). Mit einer Stärke von 3 km am Grund verjüngt sich der Damm zu 120 Metern ganz oben, wo eine Straße darüber hinweg führt. Im hier betriebenen Elektrizitätswerk wird genug Strom produziert, um das ganze Land sowie einige Nachbarländer zu versorgen. Und dabei sind von den vorhandenen sechs Turbinen erst zwei in Betrieb! Natürlich sollte man bei diesen Angaben berücksichtigen, dass es sich bei Ägypten um ein Entwicklungsland handelt, welches nicht soviel Strom braucht wie westliche Industrieländer. Aber dennoch zeigt dieses Projekt doch sehr deutlich, welche enorme Kraft der Nil hier entfesselt… Der Stausee, der nach dem damaligen Präsidenten Ägyptens Lake Nasser genannt wurde, ist über 500 km lang, von denen sich 125 km im Sudan befinden.
Neben dem herausragenden Bau des Hochstaudammes fanden gleichzeitig weitere nicht weniger erstaunliche Projekte statt. Viele altägyptische Kulturstätten liefen Gefahr, vom Lake Nasser unwiederbringlich verschluckt zu werden, was die UNESCO auf den Plan rief, die immer dann zuständig ist, wenn es um Weltkulturerbe geht. Eine große Anzahl historischer Tempel wurde fein säuberlich in handliche Häppchen zersägt und an sicherer Stelle wieder zusammengesetzt. Der berühmteste Tempel, der in diesem Projekt gerettet wurde, ist der große Felsentempel von Ramses II. in Abu Simbel, dazu später aber mehr.
Guter Dinge steuerten wir nun Ziel Nummer 3 an, eine nubische Parfürmerie.
Die Nubier sind ein dunkelhäutiger Volksstamm, der im Süden Ägyptens lebt. Vor sehr langer Zeit war Nubien ein eigenständiges Land, das mit den Pharaonen regen Handel trieb, vor allem mit Gold und Duftstoffen. Irgendeinem Pharao kam dann irgendwann die Idee, warum er denn kaufen solle, was er selber haben könne. Dieser spontanen Eingebung folgte ein kurzer, dafür heftiger Feldzug, in dessen Folge Nubien ägyptisch wurde. Nach so langer Zeit hatten die Nubier sich inzwischen damit abgefunden, irgendwie Ägypter zu sein – und dann kam der Bau des Staudamms, der eine fatale Nebenwirkung hatte: Fast das ganze von Nubiern bewohnte Land würde vom Lake Nasser überflutet werden. Da wurde kurzerhand entschieden, Tausende von Menschen umzusiedeln. Deren Begeisterung kann man sich vorstellen…
Auch wenn ihnen das Schicksal so manches Mal übel mitgespielt hat, sind die Nubier freundliche und herzliche Leute, die unter anderem für ihre temperamentvolle Musik und ihre Parfümerien berühmt sind. Viele Parfums, die von Calvin Klein, Joop und wie sie alle heißen zu Mondpreisen verschachert werden, erhielten ihre Grundsubstanz aus Assuan und Umgebung. Die bekannten Hersteller nehmen von diesen Düften aber nur eine Winzigkeit und strecken sie mit Alkohol und anderen chemischen Substanzen. Wer allergisch auf das Zeug der „Großen“ reagiert, dem sei ein Besuch im tiefen Süden Ägyptens empfohlen, denn die Grundstoffe lösen keine Allergien aus, riechen intensiver und sind ergiebiger.
Wir erhielten hier aber nicht nur sehr interessante Tatsachen, sondern auch ein schönes kühles Glas Karkadeh serviert, das bei Temperaturen um die 45°C wie ein göttlicher Segen wirkte.
Vor der Parfümerie mussten wir eine Weile warten, bis der Luxusreisebus uns einsammelte. So waren wir natürlich ein gefundenes Fressen für eine hauptsächlich minderjährige verkaufswütige Meute, die unter anderem 12 Lesezeichen für „un-äuro“ (also 1 Euro) im Angebot hatte. Klar, ich lese manchmal drei oder vier Bücher gleichzeitig, aber zwölf? Nun, die Kinder kann man recht leicht abwimmeln, aber wenn einem dann plötzlich so eine 120 kg Frau gegenübersteht, die der Ansicht ist, dir jetzt unbeding etwas verkaufen zu müssen, dann kommt man etwas in Bedrängnis… Manchmal bin ich wirklich froh um meinen angeborenen Geiz!
Trotz aller Widrigkeiten schafften wir es zurück zum Schiff, wo es wieder ein Buffet ohne Soße gab (wenigstens Salatdressing wäre cool gewesen!), danach hatten wir dann ein paar Stunden frei, was uns dann natürlich zum gemütlichen Karkadeh-Schlürfen auf dem Sonnendeck animierte.
Gut ausgeruht konnten wir uns dann dem Nachmittagsprogramm widmen. Erster Tagesordnungspunkt war die Hauptmoschee von Assuan. Hier galt es, die Schuhe vor der Tür zu parken und den Körper mit einem großen Tuch zu bedecken, um nicht respektlos zu sein. Auch Ahmed wusste viel über den Islam zu erzählen, auch über die Dinge, die den Islam mit dem Christentum verbinden – und das sind nicht wenige. Überhaupt ist der Islam, wie er in Ägypten ausgeübt und gelebt wird, eine sehr tolerante Religion. An und für sich ist Religion auch eine feine Sache, weil sie den Menschen einen Halt bietet. Leider gibt es hier wie dort immer wieder Fundamentalisten, deren verquere Denkweise keiner versteht.
In einer Moschee gibt es keine Bänke oder Stühle, stattdessen sind auf dem Boden große, schöne Teppiche ausgelegt, auf die man sich während des Gebets knien kann. Der Vorbeter, der Imam, steht etwas erhöht auf einer Kanzel, damit man ihn besser hören kann. Neben der nach Mekka ausgerichteten Gebetsnische befindet sich noch ein Pult, auf dem der Koran ausliegt, in dem jeder nachschlagen kann (sodenn er des Arabischen fähig ist).
Während ich diese Zeilen schreibe, erinnere ich mich daran, dass wir in Hurghada nach dem Besuch der Moschee weitergefahren sind zum Basar. In Assuan war das nämlich genauso…
Zum Basar in Assuan sei gesagt, dass es sich hierbei nicht um einen typischen Touristenbasar handelt. Hier gehen auch die Einheimischen zum Einkaufen, was dem Ganzen auch eine viel authentischere Note gibt.
Bei einem sehr netten Händler deckten wir uns mit Malventee und feinen Gewürzen ein, die in Ägypten sehr preiswert sind. Die Preisverhandlungen zwischen Markus und dem Händler fand ich allerdings ziemlich verwirrend, weil ständig von Euro zu Pfund und von Pfund zu Euro gesprungen wurde. Irgendwann war es dann soweit, dass der Händler auch nicht mehr durchblickte, so dass wir die ganze Tüte für einen echten Spottpreis bekamen. Man braucht auch ab und zu ein kleines Erfolgserlebnis…
Auf unserem Weg durch den Basar verfolgte uns eine Weile ein Schuhputzer, der unbedingt meine Latschen putzen wollte. An denen klebte Sand und alles mögliche, aber ich war mir sicher, dass diese ausgelatschten Treter eine Behandlung durch den energischen jungen Mann nicht überleben würden, weshalb ich freundlich ablehnte.
Wie auch immer, es ist einfach ein Genuss über einen bunten Basar zu gehen – das ist auf jeden Fall interessanter als das dröge Shopping zu Hause, wo man von einem Laden zum nächsten rennt und einem doch nichts gefällt…
Einen wunderschönen Ausklang des Nachmittags gönnten wir uns in einem kleinen nubischen Restaurant, das auf einer Anhöhe liegt und daher einen herrlichen Ausblick über den Nil und die Inseln bietet. Bei Schwarztee, Schischa und Keksen konnten wir den herrlichen Sonnenuntergang geniessen. Ich habe ehrlichgesagt nie zuvor so wunderschöne Sonnenuntergänge gesehen wie am Nil…
Und dann vor dieser Kulisse! Man sah unter anderem das Old Catarect Hotel, im 19. Jahrhundert im viktorianischen Stil erbaut, in dem Agatha Christie ihren bekannten Krimi „Tod am Nil“ schrieb – die Haupthandlung spielt auch in diesem Hotel.
Wenn man den Blick dann etwas weiter schweifen lässt, fällt einem die größte der Inseln, Elephantine, ins Auge. Die Insel verdankt ihren Namen dem Elfenbeinhandel, der zu pharaonischer Zeit hier beheimatet war. Heute findet man auf der Insel ein Hotel sowie zwei nubische Dörfer. Wir kosteten die Aussicht aus, bis es dunkel wurde und machten uns dann auf den Rückweg zum Schiff.
Diesmal gibt es keinen Kommentar über das Abendessen. Wir litten noch immer unter Pharaos Rache und Besserung war nicht in Sicht. Ob das am Essen, am Nilwasser oder an der Hitze lag, konnten wir leider nicht herausfinden.
Seinen fröhlichen Ausklang fand der Abend schliesslich bei einem nubischen Abend in der Lounge. Mit vielen Trommeln und Instrumenten, die es bei uns gar nicht gibt, heizten diese Jungs den lahmen Europäern so richtig ein. Ich hatte selten zuvor soviel Spaß bei Live-Musik!
Eigentlich hatte Ahmed gemeint, wir sollten früh zu Bett gehen, weil der nächste Tag sehr früh beginnen wurde, aber irgendwie war es dann doch nach 23 Uhr…
Reisetag 8
22.07.2005
Es war früh, es war sogar verdammt früh. Die müden Gesichter mit Augenlidern auf Halbmast sprachen Bände, als sich gegen 3 Uhr morgens ein verschlafenes Grüppchen Sonnenkinder zuerst über den Kaffee hermachte und sich danach auf die Lunchpakete stürzte. Um halb vier saßen wir dann schon im Bus irgendwo in Assuan und warteten, bis der übliche Sicherheitskonvoi komplett war. Draußen war es stockdunkel, was einem mit aller Deutlichkeit klarmachte, dass man eigentlich verrückt sein musste, hier mitten in der Nacht zu einer weiteren Wüstenfahrt im Luxusreisebus aufzubrechen, noch dazu eine, die man extra bezahlt hatte.
Nach einer ägyptischen halben Stunde startete der Konvoi dann gegen 4.15 Uhr gen Süden am Lake Nasser entlang bis fast zur Grenze zum Sudan nach Abu Simbel. Langsam schob sich die Sonne über den Horizont, der eine oder andere frühstückte, und alle waren gespannt auf das Kommende.
Zweieinhalb Stunden später hielten wir auf einem großen Parkplatz, von dort aus ging es ein paar Meter bis zur Sicherheitskontrolle, die an diesem Tag nicht nur aus dem üblichen Metalldetektor, sondern auch aus Taschendurchsuchen bestand.
Wieder ein paar Meter weiter und um eine Ecke, der aufgehenden Sonne entgegen – und dann sahen wir ihn endlich, den Grund für diese nächtliche Wüstentour: Der gigantomanische Felsentempel von Ramses II., der in seinen Ausmaßen jedes bisher gesehene Bauwerk in den Schatten stellte, das großartigste Bauwerk des größten Pharaos aller Zeiten! Eigentlich errichtet für die drei Götter Amun-Ra, Ra-Herachte und Ptah, diente er doch nur einem Zweck: Der Verehrung des Erbauers noch über dessen Tod hinaus.
Allein die Fassade mit den vier Kolossalstatuen des Pharaos spottet jeder Beschreibung. So oft auf Bildern gesehen, kann man sich doch kaum vorstellen, wie überwältigend dies ist. In der Mitte befindet sich der Eingang zum Tempel, der sehr hoch ist, zwischen den Statuen aber fast winzig wirkt. Auch das Bildnis von Ra-Herachte über dem Eingang wirkt beinahe winzig, obwohl er dem kriegsfreudigen Ramses sicherlich einer der wichtigeren Götter gewesen sein muss. Betritt man den Tempel, wird man von einer Allee aus Statuen empfangen, die allesamt den Pharao darstellen. Die Bilder an den Wänden, illustriert in herrlichen Farben, erzählen unter anderem, dass Ramses in den Krieg zog, an seiner Seite Amun-Ra. Immer wieder ist eine Szene zu sehen, wie der König seine Feinde erschlägt oder nach Ägypten treibt.
Aber immer wieder findet man ein Detail, das so gar nicht zu dem kriegslüsternen Pharao zu passen scheint: Neben oder zwischen den Beinen seiner Statuen sieht man eine schöne, zierliche Frau stehen. Ihr Name war Nefertari („die Schönste, die zu mir gehört“) und Ramses, eigentlich ein rechter Weiberheld, muss diese Frau mit seinem ganzen Herzen geliebt haben.
In direkter Nähe des Ramses-Tempels befindet sich ein weiterer Tempel, kleiner zwar, aber dennoch von umwerfender Schönheit. Diesen Tempel liess der Pharao für Nefertari bauen, die an der Fassade mit zwei Kolossalstatuen dargestellt wird (neben den 4 von Ramses selbst). Geweiht war der Tempel der Göttin Hathor, die an den Innenwänden sehr oft dargestellt wird. Auch sind Darstellungen von Nefertari zu finden sowie weitere Reliefs von Ramses. Wie sehr muss ein Mann eine Frau lieben, dass er ihr sogar einen Tempel baut?
Wie bereits erwähnt gehörten die beiden Tempel von Abu Simbel zu jenem UNESCO-Projekt, das die ägyptischen Kulturstätten vor den Fluten des Lake Nasser rettete. Damals wurde die gesamte Anlage, die sich noch dazu je in einem Berg befand, in 120.000 Teile zersägt und nummeriert. In sicherer Entfernung zum zukünftigen Stausee wurden zwei Betonkuppeln errichtet, in welchen die Tempel Stück für Stück wieder originalgetreu zusammengesetzt wurden.
Bei diesem Mammutprojekt waren 49 Staaten beteiligt. Ausgeführt wurden die Arbeiten von einer deutschen Firma.
Der Ramses-Tempel mit den im Allerheiligsten befindlichen Statuen der vier verehrten Gottheiten (Amun-Ra, Ra-Herachte, Ptah und Ramses höchstselbst) wurde von den altägyptischen Baumeistern so konstruiert, das an zwei Tagen das Gesicht des Pharaos von den Strahlen der aufgehenden Sonne erhellt wurde, genau am 21. Februar und am 21. Oktober. Es gibt Spekulationen, nach denen diese Daten der Geburtstag und der Tag der Thronbesteigung Ramses’ II. gewesen sein sollen. Seit die Tempel versetzt wurden, hat sich der Termin allerdings je um einen Tag nach vorn verschoben.
Man kann sich kaum sattsehen an den Tempelfassaden, den Reliefs und den schönen Bildern, aber um 10 Uhr müssen alle wieder weg. Wenn man bedenkt, welche Temperaturen es so tief im Süden schon morgens um 8 hat, ist es sinnvoll, sich spätestens um 10 wieder auf die Heimreise zu machen…. Wir waren extrem spät dran, außer uns war fast keiner mehr da, so dass wir rennen mussten, um uns nicht den Zorn des Luxusreisebusfahrers zuzuziehen…
Für die anstrengende Wüstenfahrt wurden wir dann mit einem reichhaltigen Mittagessen belohnt, das nicht unbedingt dazu geeignet war, Pharaos Rache los zu werden. Aber man ist schliesslich hart im Nehmen…
Den Nachmittag hielten wir dann nur im Pool oder im Schatten mit kühlem Malventee aus. Die Temperaturen in Assuan im Juli lassen einen nicht vergessen, dass man in Afrika ist.
Am späteren Nachmittag brachen dann alle Sonnenkinder zu einer gemeinschaftlichen Felukenfahrt auf. Die Feluke ist ein traditionelles ägyptisches Segelboot, das vermutlich zur Zeit der Pharaonen schon ganz ähnlich ausgesehen hat. Es ist herrlich, sich auf dem Nil treiben zu lassen und die Ruhe zu geniessen!
Allerdings war es mit der Ruhe bald vorbei: Wir segelten gerade um die Insel Elephantine herum, als ein paar Ruderboote auf Abfangkurs gingen. In den Booten saßen nubische Kinder, die eine Weile neben uns her paddelten, bis sie aus unseren Gesprächen erkannt hatten, wo wir herkamen. Und dann begannen sie zu singen, zwar nicht schön, dafür aber um so lauter. Sie zogen erst wieder ab, als sie eine beträchtliche Menge an Spenden eingeheimst hatten, wobei alles akzeptiert wurde – vom Kugelschreiber bis zum Geldschein… In ihrem gesanglichen Repertoir befanden sich Perlen wie „Bruder Jackob“ und ähnliche, die mit vollem Elan vorgetragen wurden.
Auf dem Weg um die Insel sahen wir auch einige nubische Frauen, die im Nil ihre Wäsche wuschen
Am Westufer des Nils sind einige Grabeingänge aus früheren Zeiten zu sehen, die man auch besichtigen kann, wenn man so verrückt ist, bei fast 50°C mehrere hundert Stufen hinauf zu hecheln.
Als wir gerade um Elephantine herum waren, meinte der Bootsbesitzer, seinen persönlichen kleinen Basar aufmachen zu müssen. Zu unserer Reisegruppe gehörte eine Familie aus Österreich, die genug kaufte, so dass wir anderen den Geldbeutel guten Gewissens stecken lassen konnten.
Der humoristische Höhepunkt war, als die Tochter der Österreicher sich einbildete, im Nil baden zu müssen. Damit sie nicht verloren ging, wurde sie vom Bootsbesitzer mittels eines langen Seils am Schiff festgebunden. Ein Mitreisender fragte dann mit todernstem Blick, was denn die Flosse da hinten zu bedeuten habe, was bei dem Mädchen einen panischen Blick nach hinten und bei allen anderen Gelächter auslöste.
Wir kamen nach etwa 1,5 Stunden von der gemütlichen Felukenfahrt zurück, die aufgrund des wenigen Windes länger dauerte als beabsichtigt. Aber uns war das nur recht.
Der Abend stand dann (nach dem berühmten Essen) ganz im Zeichen des Bauchtanzes. Die Tänzerin war ein Beispiel dafür, dass auch Frauen, die etwas mehr Speck auf den Hüften haben, durchaus ihre Reize haben. Mal ganz abgesehen davon, dass die Gute sich in ihrem Element ziemlich wohl fühlte.
Dem Auftritt der Tänzerin folgte ein junger Mann, eine Art wirbelnder Derwisch, der sich hunderte Male um die eigene Achse drehen konnte, ohne auch nur den Anschein zu erwecken, das Gleichgewicht zu verlieren. Bewundernswert…
Reisetag 9
23.07.2005
Am Samstag gab es mal wieder Frühstück zu einer humanen Zeit. So schön es in Abu Simbel auch gewesen war – das frühe Aufstehen war doch ein harter Kampf gegen den berühmten inneren Schweinehund gewesen.
Am Vormittag gab es die Möglichkeit, ein nubisches Dorf zu besichtigen. Wir beschlossen aber, darauf zu verzichten. So blieb uns am Vormittag ein wenig Zeit, nochmals über den Basar zu schlendern, Wasser zu kaufen und uns ein wenig umzusehen. Irgendwann trieb uns die Hitze jedoch zurück zum Schiff, das wir nun sogar noch fotografieren konnten, weil wir ausnahmsweise mal in erster Reihe eingeparkt hatten.
Eigentlich hätte das Schiff um 13 Uhr, während des Mittagessens, ablegen sollen, doch wie so oft war auch diesmal Murphy’s Law im Spiel. Beim Verlassen des Schiffs bekommt normalerweise jeder eine Bordkarte ausgehändigt, die er bei seiner Rückkehr wieder bei der Rezeption abgeben muss. An der Anzahl Bordkarten wird dann ermittelt, ob alle da sind. Diesmal gab es eine Differenz, woraufhin alle Reiseleiter in eine ziemlich panische Hektik verfielen und ihre Leute zusammensuchten. Irgendwann klärte sich das Mysterium des verlorenen Reisegastes aber auf, so dass wir nur mit einer halben Stunde Verspätung starten konnten.
Der frühe Nachmittag bestand dann gewohnheitsgemäß aus Sonnendeck und Malventee. Mehr ist bei dieser Hitze einfach nicht möglich.
Gegen 16.30 Uhr kamen wir wieder in Kom Ombo an, wo wir vor drei Tagen bereits Zwischenstation gemacht hatten, aber nicht von Bord gegangen waren. Nun konnten wir den Doppeltempel des Horus und des Sobek besichtigen, der schon bei der Fahrt Richtung Assuan ein schönes Fotomotiv gewesen war.
Es war mörderheiss an diesem Nachmittag! Das Quecksilber war bei 52°C hängen geblieben, und auf dem Weg zum Tempel hatten wir das Gefühl, ordentlich durchgebraten zu werden. Die mittlerweile fast zur Gewohnheit gewordene Sicherheitskontrolle fiel besonders streng aus: Metalldetektor, Taschen durchsuchen, Leibesvisitation – diese aber nur bei den Männern, weil sie keine weiblichen Polizisten hatten. Wir hatten aber zum Glück nichts Verdacht erweckendes bei uns, sodass wir uns im offenen Hof des Tempels ein Schattenplätzchen suchen. Kein Wunder, dass die Alten Ägypter Amun-Ra, den Sonnengott, angebetet haben. Die Sonne entfaltet in diesem Land am Nil eine Kraft, vor der man durchaus eine gesunde Portion Ehrfucht bekommen kann…
Ahmed versammelte seine Sonnenkinder um sich, um über etwas sehr ernstes zu sprechen. Am Vorabend war in Sharm El Sheikh, einem Badeort auf der Sinai-Halbinsel, ein Anschlag auf zwei Hotels und einen Basar verübt worden, der über 100 Leben gefordert hatte – die meisten Opfer waren Ägypter. Wie soll man so etwas fassen? Man macht sich seine Gedanken über den Terrorismus, wenn man in ein Land reist, das immer wieder Ziel von Anschlägen ist, aber man versteht ihn nicht. Die Muslime verstehen ihn nicht, die Christen nicht, und alle anderen auch nicht. Was um alles in der Welt findet in den Köpfen dieser Fundamentalisten statt, die nicht einmal davor zurückschrecken, ihre eigenen Leute ins Verderben zu reissen? Ahmed erzählte von den Angestellten im Tourismusbereich, die alle noch zu gut vor Augen haben, dass der Anschlag in Luxor 1997 dafür gesorgt hatte, dass über ein Jahr lang kaum Touristen kamen, was für viele den Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet hatte, und was das für einen Mann bedeutet, der Alleinverdiener ist, kann man sich denken. Meine Gedanken sind noch heute bei diesen Menschen, die es einfach nicht verdient haben, wegen diesen Verrückten ihre Existenz zu verlieren!
Es war nach dieser traurigen Mitteilung nun an der Zeit, den Kopf wieder etwas frei zu bekommen und die Gedanken zu zerstreuen. Der Tempel von Kom Ombo eignet sich hervorragend dafür. Wie der Edfu-Tempel stammt auch dieses Bauwerk aus ptolemäischer Zeit. Die detailverliebten Hochreliefs lassen den oberflächlichen Beobachter glauben, die Künstler hätten hier mit Freude gearbeitet – doch ein etwas genauerer Blick gibt immer wieder kleine Fehler preis, wie beispielsweise zu lange oder zu dicke Arme der Figuren. Die Motivation ist verständlicherweise selten besonders hoch, wenn man von Leuten zur Arbeit genötigt wird, die man nicht mag…
Ein wirklich beeindruckendes Highlight des Tempels ist der vollständig erhaltene Kalender, der auf einer der Wände zu sehen ist. Verrät er doch, dass die Ägypter ein Jahr mit 12 Monaten zu je 30 Tagen hatten, denen am Schluss noch 5 weitere Tage für religiöse Feste hinzugefügt wurden. Das Jahr wurde in drei Jahreszeiten zu je 4 Monaten aufgeteilt: Zeit der Nilüberschwemmung, Zeit der Aussat, Zeit der Ernte. Damit war dieses erstaunliche Volk von unserem modernen Kalender gar nicht soweit entfernt. Ahmed erzählte, dass man bei den Pyramiden von Gizeh eine Steintafel gefunden habe, auf der Sternenkonstellationen zu finden waren, mit denen die Tafel von Astronomen genau datiert werden konnte. Immer wieder hat man den Eindruck, dass die Alten Ägypter von Dingen gewusst haben mussten, die wir uns noch nicht mal vorstellen können.
Im Heiligtum des Tempels gibt es hinter den Götterfiguren von Sobek und Horus einen Schacht, in dem sich, glaubt man den Legenden, ein Priester versteckte und dem Pharao durch den Mund des Gottes Anweisungen gab, die dieser dann auszuführen hatte. Man mag nun darüber spekulieren, ob der Pharao zu gutmütig oder total blöd war…
Der Nilometer der Sobek-Hälfte des Tempels ist eine speziellere Ausführung als in anderen Tempeln. In dem runden Becken lebte das heilige Krokodil, das Sobek verkörperte. Diese Krokodile wurden nach ihrem Tod mumifiziert und vergraben, danach machten sich die Priester auf die Suche nach einem neuen, passenden Krokodil. Erst vor wenigen Jahren wurde hinter der Tempelanlage ein Krokodilfriedhof entdeckt, in dem man über 200 Mumien fand. Drei davon sind in einem kleinen Anbau des Tempels zu besichtigen. Weil aber die Hitze draußen schon nur mit Mühe zu ertragen war, entschlossen sich einige von uns, nicht mit allen anderen in dieses winzige Kämmerlein zu gehen.
Nachdem Ahmed uns alle im Schatten einer Mauer hockend fand, degradierte er uns zu Schattenkindern – weil wir keine Kinder der heiligen Sonne sein könnten, wenn wir die Sonne nicht aushalten. Na gut, lieber Schattenkind als Hitzschlag…
Der Doppeltempel ist wirklich sehr schön mit seinen Reliefs. Auch die Tatsache, dass hier wirklich alles doppelt vorhanden ist, also jede Hälfte des Tempels allein existieren könnte, ist interessant, weil dies nur hier so ausgeprägt vorkommt.
Letztendlich trieb uns die Hitze aber alle zum Sammelpunkt, wo Ahmed meinte, er gehe jetzt zurück zum Schiff, aber wer noch länger bleiben wolle …. sei verrückt.
Wir entschlossen uns, für den Rückweg zum Schiff nicht den Weg durch den Basar zu nehmen. In der Nähe führte eine schmale Treppe hinunter zum Nil, wo man dann unterhalb des Basars auf einem schmalen Streifen Sand zur Anlegestelle balancieren konnte. Die Gefahr, dabei in den Fluss zu fallen, war hoch, aber alles ist angenehmer, als sich bei brütender Hitze gegen Verkäufer durchzusetzen.
Zurück in der Kabine wurde dann erstmal der Weltempfänger ausgepackt, in der Hoffnung, in deutscher Sprache genauere Informationen zum Anschlag auf dem Sinai zu erhalten. Mit viel Geduld bekamen wir Deutsche Welle rein und erfuhren, dass so mancher deutsche Ägypten-Tourist den frühzeitigen Heimweg angetreten hatte.
In unserer direkten Umgebung fand sich allerdings niemand, der in Hysterie verfiel. Und das war gut so, denn Ägypten ist viel zu schön, um es einfach so überstürzt zu verlassen.
Reisetag 11
24.07.2005
Nachts waren wir von Kom Ombo nach Edfu gefahren, wo am Vormittag eine in Assuan zugestiegene Reisegruppe am Vormittag den Horus-Tempel besuchte. Für uns, die wir den Tempel bereits kannten, war dies ein gemütlicher Vormittag mit einem relativ späten Frühstück. Im schiffseigenen Shop deckte ich mich noch mit ein paar Bildbänden über Ägypten ein.
Gegen Mittag erreichten wir dann Esna, wo das Spiel von vor ein paar Tagen von vorn begann. Wir warteten, bis man uns auch durch liess. Wieder kamen alle anderen vor uns an die Reihe und so warteten wir bis nach Mitternacht, bis auch unser Kapitän das notwendige Bakschisch entrichtet hatte. Die Warterei war jedoch trotz des heißen Wetters nicht allzu unangenehm. Außerdem konnte man zur Abkühlung immer in den Pool steigen oder sich ein kühles Getränk bestellen.Der Pool war jedoch sehr klein und ab dem Moment, als ein extrem übergewichtiger Mann es sich mit einer Bierflasche zwischen den Schenkeln darin bequem machte, blieb man lieber fern.
Zu sehr fortgeschrittener Stunde durften wir dann endlich die Schleuse passieren , um dann am frühen Montagmorgen in Luxor anzukommen.
Reisetag 12
25.07.2005
Wegen der aktuellen Gefahrensituation war der Konvoi, der uns von Luxor zurück nach Hurghada bringen sollte, vorverlegt worden. Das Frühstück fand also sehr früh statt und fiel ziemlich kurz aus.
Bisher waren die Konvois immer so, dass die Busfahrer die Straße als Rennstrecke betrachteten und ständig damit beschäftigt waren, sich gegenseitig in halsbrecherischen Manövern zu überholen. Doch diesmal fuhren in etwa 200 Busse brav hintereinander, ständig begleitet von Polizei und Militär. Ein Polizist mit dem MG im Anschlag fuhr auch in unserem Bus mit. Er spielte ständig nervös an seiner Waffe herum, so dass man sich irgendwann Sorgen machte, dass er sich nicht versehentlich selbst erschießt.
Zur Auflockerung der Allgemeinsituation spielten die beiden Mädchen, die schräg vor uns saßen, Stadt-Land-Fluss. Wir amüsierten uns köstlich über Berufsbezeichnungen wie Bibi-Blocksberg-Kassetten-Regisseur. So brachten wir die vier Stunden Fahrt hinter uns und kamen gegen Mittag schließlich wieder in Hurghada an.
Es blieb uns jetzt also noch ein gemütlicher fauler Nachmittag, an dem wir uns seelisch und moralisch auf das vorbereiten konnten, was uns die nächsten beiden Tage in Kairo erwartete…
Reisetag 13
26.07.2005
Wir hatten ganz bewusst den zweitägigen Ausflug nach Kairo gebucht. Man hätte das auch an einem Tag durchziehen können: Gegen 2 Uhr nachts losfahren, damit man um 9 bei den Pyramiden ankommt, das ganze Programm durchzieht, um dann gegen Mitternacht wieder im Hotel zu sein. Da wir von uns behaupten können, weder lebensmüde noch verrückt zu sein, starteten wir mit acht weiteren Vernünftigen gegen 11 Uhr vormittags mit einem Minibus (die Kleinvariante des Luxusreisebusses, der sämtliche Eigenschaften dessen aufweist und dazu noch schlecht klimatisiert ist).
An dem Tag fühlte ich mich grässlich. Pharaos Rache forderte langsam ihren körperlichen Tribut. Normalerweise ist man in einem solchen Zustand nicht erpicht darauf, sieben Stunden quer durch die Wüste zu fahren. Aber was nimmt man nicht alles auf sich um der Bildung Willen, mal abgesehen davon, dass es nicht angehen kann, in Ägypten gewesen zu sein, ohne nicht wenigstens einen Blick auf die Pyramiden geworfen zu haben.
Die erste Hälfte der Fahrt ging recht gut, aber wir waren trotzdem froh, uns an einer „Autobahnraststätte“ namens Sahara Inn (die sich allerdings gar nicht in der Sahara sondern in der Arabischen Wüste befand, aber wir sind ja nicht pingelig!) die Füße vertreten zu können nach der unbequemen Fahrt.
Markus und ich erlebten im Sahara Inn eine wahre Offenbarung: Dort gab es nämlich Pizza! Nach all den Tagen mit pseudoeuropäischer Kost, die nicht unbedingt dazu beitrug, den Durchfall los zu werden, verschlangen wir mit wahrem Heißhunger eine Pizza Margherita, die vermutlich die beste Pizza unseres Lebens war. Hätten die Alten Ägypter einen Pizzagott gehabt, ich hätte ihm einen Tempel gebaut! Wer jetzt glaubt, ich würde übertreiben, der genieße erstmal 14 Tage lang jeden Tag das gleiche Essen, das nach europäischen Rezepten, von denen die Hälfte fehlt, gekocht wird. Ich bin ja nicht heikel, mein Magen aber schon…
Frisch gestärkt machten wir uns schließlich auf, die zweite Hälfte der Fahrt hinter uns zu bringen. Es ging immer am Roten Meer entlang, wo man an der Straße oft sah, woher das Meer seinen Namen bekam: Rote Felsen soweit das Auge reicht. An einer Stelle sahen wir im Wasser Delphine spielen.
Und dann, als wir schon fast nicht mehr daran glaubten, erreichten wir die ersten Vororte von Kairo, der größten und chaotischsten Stadt Afrikas. So eine Fahrt durch Kairo lässt einen ahnen, dass gerade in den Außenbezirken sehr viele Menschen unterhalb des Existenzminimums leben, und dass Häuser immer soweit fertig gebaut werden, bis das Geld ausgeht. Tagsüber halten sich zwischen 22 und 25 Millionen Menschen in Kairo auf. Wenn dann abends die Pendler nach Hause gefahren sind, reduziert sich die Zahl auf etwa 20 Millionen.
Der Verkehr ist eine Sehenswürdigkeit für sich. Auf vierspurigen Straßen steht man schon mal zu sechst nebeneinander, das wichtigste Teil am Auto ist die Hupe und man kommt vor allem mit Unverfrorenheit vorwärts. Auch unser Busfahrer beherrschte die Regeln bestens und bugsierte unseren Bus kreuz und quer durch alle Hindernisse. In Kairo fährt jeder nach dem Kanonenkugelprinzip: Augen zu und durch. Das erstaunlichste daran ist, dass es bestens funktioniert. Es gibt selten Staus und kaum Unfälle, was sich wohl dadurch begründet, dass die Autofahrer sehr aufmerksam sein müssen, um bei diesem Chaos nicht buchstäblich unter die Räder zu kommen.
Das Hotel für diese eine Nacht befand sich direkt an der Pyramidenstraße, welche vom Zentrum der Stadt 9 km weit bis zu den Pyramiden führt. Aus dem Zimmer im siebten Stock hatte man ein umfassendes Stadtpanorama. Ich sage absichtlich nichts von einem schönen Panorama, denn schön war es wirklich nicht. Reiseleiter Mohamed hatte bereits auf der Fahrt nach Kairo erklärt, dass man diese Stadt am besten bei Nacht anschauen solle, weil die Dunkelheit vieles verberge…
Wir hatten eine viertel Stunde Zeit, um kurz unter die Dusche zu hüpfen, was nach dieser Höllenfahrt eine Wohltat war. Danach traf sich dann alles im Speisesaal des Hotels zum Abendessen. Ich erwähnte bereits, dass es mir an dem Tag nicht besonders gut ging, entsprechend war mein Appetit. Die Suppe war höllisch scharf. Darauf folgte ein leckerer Salatteller. Anschließend tischten sie uns Spaghetti Napoli auf. Obwohl ich keine Tomatensoße mag, entschloss ich mich trotzdem, den halben Teller runterzuwürgen, was ein Fehler war… Als den Spaghetti dann ein riesiges Schnitzel Wiener Art mit Pommes folgte, verließ ich den Speisesaal fluchtartig. Eigentlich wollte ich zurück ins Zimmer, um mich noch ein Viertelstündchen auszuruhen vor der nächtlichen Stadtrundfahrt, aber dafür musste ich erstmal den Liftboy finden – ohne diesen und seinen Schlüssel tat der Aufzug nämlich keinen Muckser…
Um halb neun hatten wir uns dann alle vollzählig im Eingangsbereich des Hotels eingefunden, um in unserem Miniluxusreisebus Kairo bei Nacht zu erkunden.
Hatten wir am Tag noch gedacht, in dieser Stadt wäre verdammt viel los, wurden wir nun eines Besseren belehrt: Erst nach Sonnenuntergang erwacht die Millionenstadt zu wirklichem Leben. Überall drängen sich Menschen und das Verkehrsaufkommen steigt sprunghaft an. Man hat den Eindruck, als wären alle Einwohner Kairos unterwegs. Doch trotzdem sich auf unserem Weg mehr Autos befanden, als in diesen Straßen überhaupt Platz haben dürften, ging es einigermaßen zügig voran.
Wir besuchten ein Teehaus in der Nähe der Pyramiden von Gizeh. Von dort aus bot sich den Besuchern ein schöner Blick auf die berühmte Light&Sound-Show, ohne dass man auch nur einen Piaster Eintrittsgeld entrichten musste. In dem Lokal war es stockdunkel, so dass wir uns vorsichtig den Weg in den ersten Stock ertasten mussten, wo wir dann bei einem leckeren Glas Karkadeh vom Logenplatz aus dem Spektakel zusahen.
Diese Show ist weltberühmt, sie musste sogar schon für einen James Bond Film herhalten. Ein Sprecher erzählt Episoden aus der Geschichte des alten Ägypten. Die Erzählungen werden von Licht- und Klang-Effekten begleitet, um das Ganze etwas anschaulicher zu gestalten. Allerdings ist diese Show Geschmackssache – wer es gern etwas überladen und kitschig mag, dem sei sie empfohlen. Alle anderen sparen sich die 30 Euro Eintritt und gehen lieber in ein Teehaus, so wie wir…
Light&Sound gibt es natürlich nicht nur bei den Pyramiden, sondern auch bei sämtlichen Tempelanlagen und ähnlichem von Alexandria bis Abu Simbel.
Beim Rückweg gings wieder quer durch die Dunkelheit. Zu dem Zeitpunkt war nicht nur der erste Stock in jenem Teehaus dunkel, sondern der ganze Straßenzug, weil es einen Stromausfall gab. Über sowas wundert sich in Ägypten aber niemand.
Wer nach Kairo reist, sollte den Khan El Khalili gesehen haben! Dieser ist der größte und wohl auch einer der bekanntesten Basare in der arabischen Welt. Die engen Gassen mit den reichhaltigen Auslagen, den Händlern, den exotischen Waren, den fremdartigen Gerüchen, wirken wie aus einem Märchen aus 1001 Nacht. Auch wenn die Verlockung manchmal groß war, stehen zu bleiben und teures Geld auszugeben, hefteten wir uns vorerst brav an die Fersen unseres Guides Mohamed und landeten schließlich in einem weiteren Teehaus. Es handelte sich um jenes Teehaus, in dem der letzte König Ägyptens, Farouk, schon gerne eingekehrt war, was diverse Fotos an der Wand eines kleinen Nebenraums bezeugen. Es gab ein wenig Gedränge, aber letztendlich fanden Mohamed und seine 10 Habibi (wie er uns nannte) eine gemütliche Ecke. Es war eng, aber es war sehr gemütlich. Bei Shisha und Schwarztee mit frischer Minze hätte man es die Nacht über gut aushalten können. Und dass dieser Tabak absolut harmlos war, möge glauben wer will. Mir vertrieb er jedenfalls die Müdigkeit und ich konnte mal eine Weile meinen Magen ignorieren. Mohamed machte dann noch ein Familienfoto, bevor wir uns wieder auf den Weg machten. Wir genossen noch eine Weile das orientalische Flair des Basars und machten uns dann wieder auf die Suche nach unserem Luxusminireisebus.
Die weitere Fahrt ging zunächst vorbei am Denkmal des unbekannten Soldaten, vor dem 1981 der damalige ägyptische Präsident Sadat einem Attentat zum Opfer gefallen war. In einem nicht genau nachvollziehbaren Kurs brachte unser Fahrer uns schließlich zum Nil, wo wir vom Bus in eine Feluke umstiegen.
Herrlich ist es, mitten in der Nacht auf dem Nil herum zu segeln. Mitternacht war längst vorbei, was vor allem bedeutete, dass in Kairo die Hauptverkehrszeit begonnen hatte. Aber auf dem Nil herrschte Ruhe – keine wuselnden Menschenmassen, keine trötenden Hupen, einfach nur Stille. Manchmal kam allerdings ein Motorboot vorbei oder es schallte von einem Schiff Musik herüber, aber dennoch war dieses kleine Segelboot ein Ort himmlischer Ruhe inmitten der Hektik.
Reisetag 14
27.07.2005
Gegen zwei Uhr morgens kamen wir dann mit unserem Minibus wieder am Hotel an. Ich war todmüde und hatte irgendwie das Gefühl, dass Pharaos Rache meinem Immunsystem einiges abverlangte. Leider waren uns nur vier Stunden Schlaf gegönnt, was bedeutete, dass am Morgen zehn total verschlafene Habibi in den Speisesaal wankten. Da ich langsam überhaupt nicht mehr wusste, was ich essen sollte, blieb ich bei Obst und Kaffee.
Während ich das Wüstenklima recht gut vertragen hatte, wartete Kairo mit feuchter, drückender Luft auf. Aber so früh am Morgen konnten wir erstmal ein wenig durchatmen. Es war noch angenehm kühl.
Unser Minibus sammelte uns um halb sieben vor dem Hotel ein, um uns zu den Pyramiden von Gizeh zu bringen. Vermutlich hat jeder irgendwann in seinem Leben schon ein Foto oder ähnliches von diesen gigantischen Bauwerken gesehen. Doch nichts kann vermitteln, was man empfindet, wenn man dann tatsächlich davor steht.
Die Pharaonen der 4. Dynastie, die die Pyramiden als ihre Grabstätten errichten ließen, gaben ihnen den Namen „Haus der Ewigkeit“. Mit den übereinander geschichteten quaderförmigen Steinen wirken sie wie eine Treppe in den Himmel.
Die größte Pyramide ist die des Pharaos Cheops, die 137 Meter misst. Bei ihrer Fertigstellung vor mehr als 4.600 Jahren war sie um einiges höher. Heute fehlt die gesamte Verkleidung aus blankgeschliffenen Granitplatten. Die Reihe Steinquader direkt über dem Boden ist höher als ein Mensch. Man ist sich bis heute nicht sicher, wie die alten Ägypter es angestellt haben, diese Bauvorhaben in die Tat umzusetzen. Auch wissen wir nicht exakt, wie viele Steine verbaut wurden. Im Innern aller drei Pyramiden befinden sich mehrere Gänge und Kammern, die allerdings völlig leer vorgefunden worden waren. Keine Mumie, kein Sarkophag, keine Grabbeigaben, keine Hieroglyphen – gar nichts. Aber wer ahnt schon, was in 4.600 alles passiert sein kann.
Die zweitgrößte Pyramide wurde für Chefren, den Sohn Cheops’, gebaut. An ihrer Spitze ist noch ein wenig von der Außenverkleidung zu sehen, die früher angeblich bunt bemalt war. Zu Chefrens Pyramide gehört auch der 18 Meter hohe Sphinx. Der Legende nach befand sich an der Stelle damals ein kleiner Berg, der die Sicht auf die Pyramide verdeckte. Chefren befahl seinem Baumeister, den störenden Berg abtragen zu lassen, doch der hatte eine bessere Idee und ließ aus dem Brocken den Sphinx herausarbeiten. Es gibt verschiedene Theorien, warum der Sphinx seine Nase verloren hat. Da ist beispielsweise von Soldaten die Rede, die den Sphinx als Zielscheibe für Schießübungen missbrauchten. Als anderer Grund wird auch ein Anschlag erwähnt. Als allerdings Mohamed unser kleines Grüppchen fragte, wer Schuld sei, kam die einstimmige Antwort: Obelix natürlich!
Weil die Nase fehlt, ist das Gesicht des Sphinx leider sehr entstellt. Wahrscheinlich trägt er das Antlitz Chefrens. Der Zeremonialbart befindet sich übrigens im Louvre in Paris – Napoleon nahm ihn mit, nachdem er zwei Jahre lang in Ägypten festgesessen war.
Die dritte der großen Pyramiden auf der Hochebene von Gizeh wurde für Mykerinos gebaut, den Sohn Chefrens. Diese Pyramide hat seit einem Anschlag (schon wieder!) einen ziemlichen Erker. Manchmal fragt man sich schon, was in diesen Typen vorgeht…
Zu jeder der drei großen Pyramiden gehören auch einige kleinere für nahe Angehörige, sowie weitere Grabstätten für den Baumeister und für Arbeiter, die sich besonders verdient machten. Eine dieser Grabstätten kann man besichtigen. Hier ist alles doch entschieden bescheidener gehalten als in den Gräbern im Tal der Könige! Allerdings findet man hier durchaus ein paar Statuen und Inschriften, was in den großen Pyramiden ja nicht der Fall ist.
Auch eine der Nebenpyramiden kann besichtigt werden. Mein Mann meinte, dass sich der 12 Meter lange Abstieg auf ein paar schmalen Eisensprossen in absoluter Dunkelheit und Enge nicht unbedingt lohne. Ich hatte gleich darauf verzichtet, dieses sportliche Ereignis zu erleben – es ist wohl niemandem zu empfehlen, der zur Klaustrophobie neigt… Markus jedenfalls meinte, dass es da unten einfach nur einen winzigen Raum gegeben habe, der nichts Spannendes zu bieten habe.
Wir fuhren anschließend zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen umfassenden Blick auf alle Pyramiden hat. Und man stelle sich vor: Es wurde doch tatsächlich eine Straße gebaut, die zwischen den zwei großen Pyramiden hindurchführt! Ich denke mal, dass das nicht im Sinne der Pharaonen war, die dort begraben waren…
Der Blick von diesem Punkt aus ist herrlich – wenn man sich den Smog wegdenkt. Über Kairo hängt eine graue Dunstglocke, die vor allem morgens besonders schlimm ist. So sieht man die Pyramiden eben im Nebel, was schade ist.
Noch immer nicht ganz in die Wirklichkeit zurückgekehrt, stieg ich schließlich wieder in den Bus und es ging weiter.
Ägypten hat, wie bereits schon erwähnt, nicht nur Sehenswürdigkeiten aus längst vergangenen Zeiten zu bieten. Eines der markantesten Wahrzeichen Kairos ist die berühmte Alabastermoschee von Mohamed Ali, der sie im Jahre 1830 erbauen ließ. Mohamed Ali war von 1805 – 1848 König von Ägypten. Er öffnete das Land nach Europa, was Ägypten wirtschaftlich voran brachte. Viele Europäer kamen zu jener Zeit nach Ägypten, denn die Schätze des alten Ägypten, die erst seit kurzer Zeit nach und nach entdeckt wurden, lockten viele Forscher und Abenteurer an.
Das gesamte Gebäude, auch die Innenräume, sind mit Alabaster verkleidet. Es gibt einen großen Vorplatz, der mit einem Säulengang umfasst ist. Hier steht auch ein großer Brunnen, an dem die Gläubigen sich waschen können, bevor sie zum Gebet die Moschee betreten.
Wenn man den Hauptraum der Moschee betritt, verschlägt es einem erstmal den Atem. Der Raum ist 52 Meter hoch und befindet sich unter der 21 Meter durchmessenden Kuppel. Der üppige Alabasterschmuck und die an Ketten aufgehängten Kristallleuchter geben dem Raum etwas Erhabenes. Der griechische Architekt, der für den Bau verantwortlich war, kann durchaus als großer Künstler betrachtet werden.
Die Moschee befindet sich inmitten der Umfassungsmauern einer großen Zitadelle, welche von Sala Al-Din errichtet worden war als Verteidigungsposten gegen die Kreuzritter, welche sich hier auch die Zähne ausbissen und unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten.
Woran wohl kein Ägypten-Tourist vorbei kommt, ist ein Besuch im Ägyptischen Museum von Kairo. Leider ist dieses Museum vor allen Dingen Lagerstätte. Das Gebäude ist viel zu klein und die Angestellten scheinbar nicht sonderlich motiviert. Überall stehen Kisten herum und die Ausstellungsstücke sind teilweise recht lieblos in den Räumen verteilt, teilweise völlig zusammenhanglos. Aber es gibt Hoffnung: Die UNESCO baut derzeit ein neues Museum.
Bevor man aber das Museum betreten kann, muss man zweimal (!) durch eine Sicherheitskontrolle. Irgendwie hatten wir uns mittlerweile daran gewöhnt – schon erstaunlich, wie schnell das ging…
Ungeachtet des allgemeinen Durcheinanders findet man in diesem Museum sehr schöne Zeugnisse vergangener Epochen. Statuen, Papyri, Schmuck, Werkzeuge, Grabbeigaben…
An diesem Tag war ich nicht die Einzige, die an gesundheitlichen Problemen litt. Die schwüle Luft in den Ausstellungsräumen machte so manchem Kreislauf zu schaffen. Ich fühlte mich so richtig krank an dem Tag. Meine Rettung war der gute Tutanchamun. Im Grab des mit 18 Jahren viel zu jung verstorbenen Pharaos fand man unglaubliche Kostbarkeiten. Die aus purem Gold gefertigte Totenmaske und den Sarkophag kennt man ja. Aber da gab es noch erstaunliche Mengen an Grabbeigaben: Schmuck, Gefäße, Götterfiguren und vieles mehr. Diese ganze Pracht wird in einem gut klimatisierten Tresorraum aufbewahrt. Die kühle Luft erweckte meine Lebensgeister wieder, so dass ich die phantastischen Ausstellungsstücke auch mit der nötigen Begeisterung würdigen konnte.
Zwei Stunden im Ägyptischen Museum sind garantiert 50 zu wenig. Der Umfang der Sammlung ist riesig. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass hier bei Weitem nicht alle Fundstücke aufbewahrt werden. Durch die im 19. Jahrhundert vertretene Politik, dass die ausländischen Archäologen die Hälfte ihrer Funde mit nach Hause nehmen durften, befindet sich ein Großteil davon in aller Herren Länder. Die ägyptische Sammlung des Britischen Museums in London zum Beispiel ist auch recht umfangreich…
Das Mittagessen nahmen wir in einem Fischlokal auf dem Nil ein. Danach machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach Hurghada, den ich größtenteils verschlief.
Reisetag 15
28.07.2005
Verdientermaßen, wie ich finde, war uns an diesem Donnerstag noch ein fauler Tag gegönnt. Ein paar Schwimmzüge durch den Pool, sich gemütlich auf dem Roten Meer treiben lassen, ein kühles Getränk genießen und die Seele baumeln lassen – das war genau das Richtige nach dem strapaziösen Kairo-Ausflug.
Am Nachmittag wagten wir uns nochmal aus dem Hotel auf der Suche nach dem einen oder anderen Andenken oder Mitbringsel. Leider war Adam, der uns ja bereits am ersten Tag etwas verkaufen wollte, weit und breit nicht zu sehen, so dass wir in ein anderes Geschäft gingen. Der dortige Verkäufer zeigte uns diverse Waren und erzählte nebenbei in einem abenteuerlichen Gemisch aus Arabisch, Deutsch und Englisch eine Kurzversion der Geschichte des alten Ägypten. Die unweigerlich folgende Preisverhandlung war recht witzig. Auf die Frage „Wieviel?“ gab er den Preis in seinen Taschenrechner ein, weil er bei den Zahlen in Deutsch und Englisch vermutlich nicht ganz sicher war. Markus nahm ihm das Teil aus der Hand und tippte seine eigene Preisvorstellung ein, was der Mann mit blankem Entsetzen zur Kenntnis nahm. So ging der Taschenrechner eine Weile hin und her, bis man sich endlich geeinigt hatte.
Den Rest des Spätnachmittags verbrachten wir dann noch in der Lounge des Hotels, von wo aus man wunderbar beobachten konnte, was in der Eingangshalle geschah. Wir ließen noch einmal die letzten Tage vor dem geistigen Auge Revue passieren und es schlich sich ein wenig Wehmut ein, weil wir am nächsten Tag nach Hause fliegen würden…
Und so ging dann auch der letzte Tag unseres schönen Urlaubs zu Ende…
Reisetag 16
29.07.2005
Frühmorgens um 6 kam der Kofferträger, um unser Gepäck abzuholen. Und danach… Noch einmal das Rote Meer sehen, noch einmal den leckeren Obstsalat essen, dann ging es auch schon zum Flughafen…
Der Flughafen von Hurghada ist recht beschaulich, so dass man sich wenigstens nicht verirren kann. Der Check-In ging recht schnell, wenn man sich nicht wie der große Haufen an der längsten Schlange anstellte. Nach der Sicherheitskontrolle durften wir es uns für die nächsten 1,5 Stunden in der Abflughalle gemütlich machen. Irgendwann wurden die Passagiere für den Flug nach Frankfurt an Gate 5 gebeten, wo sie sich nach und nach einfanden. Etwa zehn Minuten später kam der nächste Aufruf, dass die Passagiere für eben jenen Flug nach Frankfurt sich bitte zu Gate 8 begeben sollten, was eine wahre Völkerwanderung auslöste. Das wäre alles nichts Besonderes gewesen, wenn die armen Frankfurter nicht noch dreimal zwischen Gate 5 und 8 hin und her gescheucht worden wären…
Für die Leute, die wie wir nach München wollten, gab es zum Glück keine derartige Unentschlossenheit – und weil wir so schnell waren, konnten wir sogar 20 Minuten früher starten als geplant.
Vom Flugzeug aus kann man übrigens wunderbar das Niltal und sogar die Pyramiden sehen. Das war der Moment, in dem ich merkte, dass ich jetzt schon irgendwie Heimweh hatte nach dem Land am Nil…
Schlusswort
Diese zwei Wochen in Ägypten offenbarten uns ein Land, das so viel Faszination auf uns auswirkte, wie noch kein Ziel zuvor. Bis heute bin ich eigentlich noch nicht ganz zu Hause angekommen, und wir wissen, dass wir nicht das letzte Mal dort waren. Es gibt noch so vieles, das wir nicht gesehen haben! Das Land und die Menschen strahlen auf ihre ganz spezielle Art einen Charme aus, den man nicht in Worte zu fassen vermag. Und natürlich zieht einen die altägyptische Vergangenheit mit ihren Hieroglyphen, Legenden, Göttern, Tempeln und Pharaonen unweigerlich in den Bann. Der Moment, wenn man das erste mal vor der Großen Pyramide von Gizeh steht, wenn man den Säulensaal des Tempels von Karnak betritt, wenn die Augen an der Fassade des Felsentempels von Abu-Simbel entlangwandern, gibt einem ein Gänsehaut erzeugendes Gefühl von Ehrfurcht vor einem Volk, das mit so begrenzten Mitteln Großartigeres schaffen konnte als alle anderen Völker zu jener Zeit, vor einem Volk, dessen Geheimnisse auch heute noch zu großen Teilen verborgen sind.
Diese Reise anzutreten mag eine spontane Entscheidung gewesen sein – und dennoch war sie eine Entscheidung, die ich in meinem Kopf längst getroffen hatte, spätestens an jenem Tag, als ich zum ersten Mal irgendwo ein Foto von den Pyramiden gesehen hatte. Und nun bin ich schon zwei Monate wieder zu Hause, aber vor meinem geistigen Auge sehe ich noch immer die Bilder als wäre ich nie von dort fort gegangen.
Wir hatten uns diese nicht ganze billige Reise nach einem sehr schweren, von Krankheit geprägtem Jahr gegönnt. Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, haben diese 14 Tage in diesem Land, das sich von zu Hause so ganz und gar unterscheidet, mir mehr als gut getan.
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